Wiener Linien wollen Fahrgäste als Paketboten einsetzen – 433

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Wenn es nach dem Wiener Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) geht sollen Straßenbahn-Fahrgäste künftig als Paketboten Postgüter von einer Station zur anderen transportieren. Der Vorschlag wird mit ökologischen Gesichtspunkten begründet, ist  jedoch versicherungstechnisch und arbeitsrechtlich äußerst kritisch zu sehen, denn er ist nichts anderes als die Idee die Dienstleistung von Kurier-Express-Diensten durch den Bürger zu sozialisieren.

FAHRGÄSTE SOLLEN PAKETBOTEN WERDEN

Mitte August sorgte eine Presseaussendung zum Projekt KEP-Train (KEP = Kurier, Express, Paket) der Wiener Linien für Aufsehen. Denn die Tochter der Wien-Holding plant ins lukrative Paketgeschäft einzusteigen. Als Paketboten sollen aber keine angestellten Arbeiter sondern Fahrgäste der städtischen Straßenbahn fungieren. Das Ziel ist Passagier- und Güter-Transport über eine Plattform gleichzeitig zu realisieren.

Ob dieser Vorschlag umgesetzt werden kann soll eine Umfrage klären die in den nächsten beiden Monaten durch Fraunhofer Austria durchgeführt und in weiterer Folge analysiert wird.
Auf der Webseite der Umfrage heißt es dazu: „Das Konzept sieht vor, dass Fahrgäste der Wiener Linien während ihrer gewohnten Fahrten als Transporteure von Paketen fungieren können. Vorerst werden im Projekt nur Transporte mit der Straßenbahn betrachtet.“

Gedacht ist, dass mittels einer eigenen App am Smartphone Fahrgäste sich aussuchen können wann und wo sie ein Paket mitnehmen. Der Fahrgast geht in weiterer Folge zu einer Paketbox die bei der Straßenbahnstation aufgestellt ist und authentifiziert sich mittels QR-Code-Verfahren bei einem Terminal, er entnimmt das Paket und steigt danach in die Straßenbahn ein. Am Zielort angekommen hinterlegt er dieses wiederum in einer Paketbox. Dort kann der Endkunde dann sein Paket selbst abholen. So könnte man laut den Projektentwicklern bis zu 20% aller Sendungen in Wien via öffentlichen Verkehr transportieren. Die Pakete können dabei bis zu 31,5 kg schwer sein, was dem maximalen Gewicht von Gütern entspricht die sogenannte Kleintransport-Unternehmen transportieren.

OFFENE RECHTSFRAGEN:

Offen bleiben bei diesem Vorschlag aber insbesondere Fragen des Versicherungsschutzes und des Arbeitsrechts, denn der Fahrgast übernimmt das Transportrisiko und wäre demnach auch für Schäden am Inhalt haftbar. Weiters würden ihm, sofern auf dem Paket eine Adresse vorhanden ist, auch datenschutzrechtliche Verpflichtungen treffen. Zuletzt stellt sich noch die Frage nach den arbeitsrechtlichen Bedingungen. Denn der „Paketbote“ wäre in diesem Fall zumindestens ein Angestellter der Dienstleistungen erbringt. Sofern hier jedoch eine ähnliche Rechtsprechung wie bei Uber oder Air-BnB greift, könnte der Dienstleister möglicherweise sogar als Selbständiger eingestuft werden.

Bild: Mit der Umfrage soll ergründet werden ob die Fahrgäste auch ohne Gegenleistung Pakete transportieren wollen. (Quelle: Wiener Linien/Fraunhofer Austria)

Es stellt sich daher auch die Frage ob für diese Dienstleistung bezahlt wird und wenn ja in welcher Form. In der Umfrage wird nämlich geprüft ob die Fahrgäste überhaupt bezahlt werden wollen oder nicht. Dabei wird abgefragt ob sich diese mit Gutscheinen, Gratisversand für eigene Bestellungen oder Vergünstigungen für andere Dienstleistungen zufrieden geben würden.

Bild: In der Umfrage wird auch gefragt welche Form der Entschädigung Fahrgäste erhalten sollen. (Quelle: Wiener Linien/Fraunhofer Austria)

Wenn auch nicht in der Umfrage enthalten, so erscheint es möglich, dass im Gegenzug etwa Gratisfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Aufwandsentschädigung angeboten werden.

Andererseits könnten sich durch diese „Fahrgast-Kuriere“ die ohnehin bereits prekären Arbeitsbedingungen sowie der Preis- und Leistungsdruck den Logistik- und Kleintransportunternehmen ausgesetzt sind, weiter verschärfen. Vielleicht würde sich die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften reduzieren, gleichzeitig scheint die Politik mit einer solchen Maßnahme diesen Wirtschaftsbereich sozialisieren zu wollen, um die dortigen Probleme an die Gesellschaft – wie bei der Pflege – direkt weiterzureichen.

SOZIALDEMOKRATEN UND ARBEITSBEDINGUNGEN IN DER LOGISTIK-BRANCHE – EIN AMBIVALENTES VERHÄLTNIS

Das Projekt KEP-Train ist dabei nur ein weiterer Puzzlestein in einer langen Geschichte die das ambivalente Verhältnis der Sozialdemokratie zu den Arbeitsbedingungen bei Paketdiensten wiederspiegelt. Unter Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky wurde Anfang der 1970er Jahre der Zivildienst eingeführt. Zu den ersten Institutionen die davon profitierten gehörten die Österreichische Post und die Bundesbahnen (ÖBB). Bei der Post wurden Zivildiener oft als Lagerarbeiter eingesetzt und arbeiteten in Depots und Zustellzentren. Sie verrichteten damals die selben Arbeiten wie Festangestellte, nur zum Unterschied, dass ihre Arbeitskraft ungleich billiger war.

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Bild: In den Anfangsjahren des Zivildienstes arbeiteten die jungen Männer auch bei Post und ÖBB. Diese Beschwerde aus dem Jahr 1978 gibt Zeugnis von den damaligen Arbeitsbedingungen. (Quelle: Zivildienstbericht 1979, parlament.gv.at)

So geht etwa aus einer Beschwerde aus dem Jahr 1978 hervor, dass ein Zivildiener bis zu 57,5 Stunden pro Woche und an Sonn- und Feiertagen arbeiten musste. Die Zivildienstkommission lehnte damals die Beschwerde als unbegründet ab.
Diese Praxis wurde bis Anfang der 1990er Jahre fortgeführt. Seitdem dürfen Zivildiener nicht mehr in gewinnorientierten Unternehmen (Ausnahmen sind die Landwirtschaft (Maschinenring) oder private Pflegeanstalten) tätig sein.

Viele Jahre später, 2019, stimmten sozialdemokratische Gewerkschafter in Form einer Vereinbarung zur gleichzeitigen Auszahlung der Nacht- und Überstundenzulage für eine Zulagenkürzung zu bestimmten Zeiten. Dieses „Ja“ löste einen Ketteneffekt quer durch die Logistikbranche aus, der besonders Teilzeitkräfte betraf, die oft in Kurzschichten (Zwei bis vier Stunden) in der Früh oder der Nacht arbeiten und nun bis zu 8% weniger Lohn erhalten als davor (wir berichteten). Dies führte dazu, dass die Anzahl der ausländischen Arbeitskräfte stieg und die Verweildauer der Mitarbeiter bei den Unternehmen weiter gesunken ist. Aus Branchenkreisen erfährt man, dass Lagerarbeiter oft nicht mehr länger als ein bis vier Monate in einem Betrieb verbleiben. Der Arbeitskräftemangel führt auch zum massiven Anstieg von Mehr- und Überstunden in der Branche, die nicht zuletzt die Zusteller zunehmend durch 10-14 Stunden lange Arbeitstage bei Monatslöhnen von 1500 bis 2000 Euro (Netto) ausgleichen müssen.

FAZIT:

Der Vorschlag Pakete durch Fahrgäste zu transportieren mag im ersten Moment im Sinne des Klimaschutzes gut klingen, bringt aber viele Fragen mit sich. Offen bleiben vorerst die arbeitsrechtlichen und versicherungstechnischen Bedingungen zu denen die Zustellung erfolgen soll. Auch wird die Errichtung der Infrastruktur und die Frage nach der Bereitschaft tatsächlich mitzumachen eine wesentliche Rolle beim Erfolg eines solchen Unterfangens spielen. Ob die Fahrgäste der Wiener Linien sich hier tatsächlich als „Gratis“ oder „Billig“ -Zusteller hergeben sei freundlich in Frage gestellt zeigt aber auch, dass die Politik auf wesentliche Fragen der Realität moderner Arbeitswelten kaum Antworten hat die über einen besseren Sommerlochfüller hinaus gehen.

BIS BALD,
EUER SIVIC

INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…

VonSivic

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