In Thüringen gewinnt ein liberaler Kandidat die Wahl zum Ministerpräsidenten. Nun soll Thomas Kemmerich zurücktreten. Der Grund, er bekam Stimmen von der rechten AfD und das ist in Deutschland ein politisches NoGo. Ein Kommentar von Claudio Schiesl.
AFD KÜHRT LIBERALEN THOMAS KEMMERICH ZUM MINISTERPRÄSIDENTEN THÜRINGENS
Da hat jemand seinen Marchiavelli nach Punkt und Beistrich ausgespielt. Die AfD führt im Spiel um die Macht alle anderen deutschen Parteien vor.
So geschehen in Thüringen, die Alternative für Deutschland hat allem Anschein nach Kemmerich (Kandidat der FDP) mit einer Stimme Vorsprung zum Ministerpräsidenten gewählt. Nun will keiner Schuld sein und CDU als auch FDP haben das Problem dass sie plötzlich einen ungeliebten Partner im Bett haben.
Im Gegensatz zu Landtags- oder Bundestagswahlen ist bei Abstimmungen in Parlamenten die Anzahl der Abgeordneten überschaubar und so manches Wahlergebnis daher sowohl vorhersehbar als auch im Nachhinein rekonstruierbar. Nachdem der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) nicht die notwendige Majorität in den ersten beiden Wahlgängen auf sich vereinigen konnte, hätte im dritten Wahlgang eine einfache Mehrheit ausgereicht.
So standen drei Kandidaten zur Auswahl, Bodo Ramelow (LINKE), Thomas Kemmerich (FDP) und der parteilose Christoph Kindervater welcher von der AfD aufgestellt wurde.
Nun griff die Alternative für Deutschland in die Trickkiste. Der eigene Kandidat entpuppte sich als Alibi-Aktion, dafür erhielt wohl Kemmerich alle Stimmen der rechten Abgeordneten und gewann die geheime Abstimmung mit einem Ergebnis von 45:44. Nach der Wahl Kemmerichs warf ihm die Landeschefin der Linkspartei Susanne Hennig-Wellsow einen Blumenstrauß vor die Füße.
LINKSPARTEI, SPD und GRÜNEN wurden von diesem Manöver überrumpelt. FDP und CDU werden als “rechte Handlanger” bloßgestellt. Das politische Berlin kochte und die deutsche Medienlandschaft forderte – einig wie selten – den Rücktritt von Kemmerich. Diesem Wunsch folgte er einen Tag später, will aber nicht sofort zurücktreten sondern geordnet übergeben. Zudem stehen Neuwahlen im Raum.
AFD GERIERT SICH ALS “GUTE” NEMESIS
Die Alternative für Deutschland hat mit diesem Vorgehen die Konkurrenz ausgebootet. Sie hat sie regelrecht vorgeführt und sorgt damit für eine veritable Krise die im normalen demokratischen Grundverständnis keine wäre.
Denn durch die Blockadepolitik der anderen Parteien wird die formal einzige “rechte” Partei Deutschlands vom politischen Mitwirken ausgegrenzt.
CDU, SPD, LINKE GRÜNE und FDP begründen dabei stets ihre Ablehnung damit, dass die AfD rechtsextrem und keine demokratische Partei ist.
Sie gilt gemeinhin als Nachfolgepartei der NSDAP, als deutsche Version der österreichischen FPÖ, nur noch rechter und nationalsozialistischer als es ihr alpenländisches Pendant ist. Die AfD wird damit zur negativen anti-demokratischen Nemesis des demokratischen Deutschlands stilisiert.
Ein Spiegelbild welches mit allen politischen Mitteln bekämpft werden muss.
Das nutzt diese wiederum für sich. Denn sie hat sich ja im Sinne der Regeln am demokratischen Diskurs beteiligt. AfD-Chef Bernd Höcke gab Thomas Kemmerich nach der Wahl im Landtag auch die Hand und stellte sich als fairen Mitspieler dar.
Die anderen Parteien erkennen dies wiederum nicht an. Durch diesen Ausgrenzungsprozess der politischen Konkurrenz entsteht der Eindruck dass nur ein Linker Ministerpräsident von Thüringen werden darf und AFD-Vertreter keine vollwertigen Abgeordneten sind.
Letztere geriert sich nun in bester FPÖ-Manier als Opfer, hält der Konkurrenz den Spiegel vor und propagiert die Diktatur der Gutmenschen. Die politischen Mitbewerber werden aus dieser Sicht zum anti-demokratischen Block der ein knappes Viertel der Wählerschaft ignoriert.
Gleichzeitig ist es der AfD möglich die Linkspartei als SED-Nachfolgepartei zu präsentieren, sie kann den Linken die rote DDR-Karte vor die Nase halten.
Denn insbesondere in den ost-deutschen Bundesländern sind neben der Erinnerungskultur zu den Verbrechen des Nationalsozialismus, auch die Nachwehen der kommunistischen Diktatur des Arbeiter- und Bauernstaates in frischer Erinnerung. Hinzu kommen die Probleme der Abwanderung, die Deindustrialisierung und das Verliererimage gegenüber West-Deutschland.
All dies ist der Nährboden auf dem die Linkspartei als auch die AfD gedeihen und wachsen können und damit die Konkurrenz hinter sich lassen.
FAZIT:
Die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen zeigt, als Gesamtsituation betrachtet, auch die Zerrissenheit der deutschen Parteienlandschaft im Umgang mit den Rechten auf. Sie hilft diesen nun mehr als sie ihnen schadet. Denn die AfD muss jetzt ihren potentiellen Wählern nur noch frei nach der Devise “Entweder wählt ihr uns oder niemanden!” signalisieren, dass es zur ihr keine Alternative gibt.
Das schadet FDP und CSU die sich programmatisch auch mit der Alternative für Deutschland in sozialen oder wirtschaftspolitischen Fragen überschneiden und spaltet letztlich auch den Widerstand gegen diese auf.
Sollte es also in Thüringen wirklich zu Neuwahlen kommen, dann werden die West-Parteien CDU, SPD, GRÜNE und FDP aller Wahrscheinlichkeit nach Verluste hinnehmen müssen. Die politische Lage im Freistaat würde sich noch weiter zuspitzen, ein Zweikampf zwischen LINKE und AfD wäre sehr wahrscheinlich.
Damit stößt die Block- und Ausgrenzungspolitik gegenüber der Nemesis AfD an ihre Grenzen. Diese geht dadurch gestärkt vom Feld. Diejenigen die diese Entwicklung stoppen wollten spielen sich somit selbst an die Wand und am Ende werden wohl jene den Sieg erringen, die man – auf beiden Seiten – eigentlich verhindern wollte.
BIS BALD,
EUER SIVIC
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