Wer soll es denn jetzt werden, Joy Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil oder doch lieber Andreas Babler? Bis zum 10. Mai dürfen die SPÖ-Mitglieder mittels Mitgliederbefragung über den Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl 2024 abstimmen. Indirekt geht es aber bei der Mitgliederbefragung um den Bundesparteivorsitz, doch die Sozialdemokratie hat schon längst andere Probleme. Ein Kommentar von Claudio Schiesl/Sivic.
SPÖ – DIE ALTE KRANKE PARTEI IN DER LÖWELSTRAßE
Ein Landeshauptmannstellvertreter der „Alle Tag“ sich selbst auf Google sucht, eine Bundesparteivorsitzende die in Nizza urlaubt und im hochpreisigen Club 55 gastiert , die Luxus-Debatte über den Porsche eines ehemaligen Ministers und Bundesgeschäftsführers sowie ein Gewerkschaftsvorsitzender mit BMW X5 (M-Version) und einem Jahressalär jenseits der 200.000 Euro. Den SPÖ-Funktionären wird seit Jahren vorgeworfen abgehoben zu sein und sich von der Wählerschaft losgelöst zu haben.
Tatsächlich hat die Sozialdemokratie viele ihrer 1889 definierten Ziele erreicht, es ändert aber nichts daran, dass die wirtschaftliche, arbeitsrechtliche und soziale Realität nach wie vor Fragen offen lässt, die nur ungenügend beantwortet wurden.
Auch fehlt es an Flexibilität in den Weltbildern, die bei Themen wie dem antiquierten Medienrecht, der Scheinselbstständigkeit oder der Elementarpädagogik und der Schulbildung deutlich wird. Denn für all diese Fragen sind in den letzten Jahren nicht nur ÖVP, FPÖ oder Grüne zuständig gewesen, bis heute sind hohe Beamtinnen und Beamte der roten Reichshälfte zuzuschreiben und für die Umsetzung mitverantwortlich. Wer sich etwa die „noch“ aktuelle Landkarte der Koalitionen der Landesregierungen ansieht, erkennt, dass die Sozialdemokraten in drei Bundesländern den Landeshauptmann stellen und in zwei weiteren Koalitionspartner der ÖVP sind. Macht in Summe eine politische Verantwortung für 4,85 Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Wer dabei vermutet, dass die SPÖ durch ihre Regierungsbeteiligungen auf Landesebene verstärkt auf die Bundesebene Druck ausübt und pro-aktiver wird, der irrt. Die Partei ist abgemeldet und das obwohl von der Teuerung, über die Bildung, Integration, Arbeitsmarktreform bis zur Gesundheits- und Altenversorgung viele Themen auf der Straße liegen, die für die Sozialdemokratie wie maßgeschneidert wären.
ROTE THEMEN AM SERVIERTABLETT, DOCH DIE MITGLIEDERBEFRAGUNG IST WICHTIGER
So öffnete sich kurz vor Ostern durch mediale Enthüllungen über die Arbeitsbedingungen in einem Paket-Verteilzentrum im steirischen Kalsdorf und einige Monate zuvor schon in Radstadt (Salzburg), kurzzeitig ein Fenster, um über die Einhaltung von Arbeitszeiten, Sozialstandards und ihre Kontrolle durch die Behörden zu diskutieren.
Die SPÖ reagierte zwar mit Aussendungen von Andreas Babler und Sozialsprecher Josef „Beppo“ Muchitsch die eine Auftraggeberhaftung in der Logistikbranche forderten, zu mehr reichte es bisweilen jedoch nicht. Auch die ursprünglich sozialdemokratische Forderung das kürzlich beschlossene Hinweisgeberschutz-Gesetz um arbeitsrechtliche Verstöße zu erweitern, wurde bisher nicht erneuert.
Der Grazer Gemeinderat hat hingegen am 27. April „einstimmig“ eine Petition an die Bundesregierung auf den Weg gebracht, um die Auftraggeberhaftung endlich rechtlich zu verankern. Die Initiative dazu kam jedoch von der KPÖ und nicht von der SPÖ, wurde aber von dieser unterstützt.
Doch während Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund (ÖGB) fest polterten, konzentrierten sich die sozialdemokratischen Funktionäre schnell wieder um die Mitgliederbefragung und kümmerten sich um sich selbst.
Es ist anscheinend viel wichtiger ob Dr.in Pamela Rendi-Wagner, Mag. Hans Peter Doskozil, Andreas Babler oder „Keiner von den Genannten“ Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl 2024 wird. Die Partei beschäftigt sich somit einmal mehr mit sich selbst, als sich um Lösungen für Probleme der Gegenwart zu kümmern.
Nicht verwunderlich, war doch vielen Genosseninnen und Genossen in den letzten 10 bis 20 Jahren der eigene Rock und Status in der Partei näher als die eigene Wählerschaft. Die Partei wurde gerne als Sprungbrett und Auftraggeber für die eigene Karriere gesehen, wie man an privatwirtschaftlich erfolgreichen Größen wie Alfred Gusenbauer, Laura Rudas oder Niko Pelinka sehen kann. Doch wenn andere regieren, wer gibt dann eigentlich der roten Entourage die Aufträge?
SPÖ VERSUS GRÜNE, KPÖ UND VIELE MEHR – DAS MATCH IST SCHON LÄNGST IM GANGE
Bei aller Selbstbeschäftigung wird anscheinend auch ignoriert, dass andere Parteien schon längst in roten Gefilden fischen und dabei sehr erfolgreich sind. Vielleicht werden dann zukünftig keine „roten“ Werbeagenturen lukrative Aufträge von diversen Bundesministerien erhalten, das könnte dann vielleicht die rote Parteibuchwirtschaft etwas unrund machen und zur nächsten Obfrau/Obmann-Debatten führen.
Video: Am 22. April sprach Hans Peter Doskozil im steirischen Köflach auf was sich die Partei konzentrieren müsse, einen Tag später wurde die SPÖ in Salzburg mehr als nur abgestraft.
So geschehen etwa am 23. April in Salzburg, hier wanderten 8.000 Stimmen laut Wählerstromanalyse des ORF bei der Landtagswahl von der SPÖ zur KPÖ. Mit anderen Worten, 25,49% der kommunistischen Wählerinnen und Wähler (etwa 33.000) waren einst im Lager der Sozialdemokraten zu finden.
Trotzdem konnte die SPÖ Platz 3 (17,87%) halten, die KPÖ (11,66%) konnte aber deutlich hinzugewinnen und profitierte von Themen wie Teuerung, Wohnen und der allgemeinen Unzufriedenheit über die etablierten Parteien. Geht man weiter südlicher, schaut die Sache anders aus. In Graz ist die SPÖ die kleinste Partei im linken Spektrum, schaffte 2021 nur noch 9,53% und konnte auch den 2017 verlorenen Stadtratssitz nicht zurückerobern. In der zweitgrößten Stadt Österreichs liegt die KPÖ mit 28,84% weit vorne und könnte bei anhaltenden Trend wohl auch für die steirische Landtagswahl im Herbst 2024, neben der FPÖ, zum essentiellen Gegner der Sozialdemokraten avancieren.
Die Kommunisten sind auch seit 2009 wieder in Linz im Gemeinderat aktiv und dort mit zwei Mandaten vertreten. Somit besteht tatsächlich in drei Bundesländern (Steiermark, Salzburg und Oberösterreich) die Möglichkeit, dass sich die KPÖ mittel- bis langfristig als politische Alternative zur SPÖ etablieren könnte.
Eine Zuspitzung im Kampf um die Gunst der „Links“-Wählerschäft scheint somit wahrscheinlich. Die Auswahl ist hierbei sehr groß, denn selbst die Volkspartei konnte unter Sebastian Kurz der SPÖ Wähler abluchsen. So könnten die FPÖ, die Grünen, die KPÖ, eine Sammelbewegung wie das Team Kärnten oder eine andere Partei (Sozialistische Linkspartei, Der Wandel, Bierpartei usw.) der altgewordenen SPÖ noch einiges an Wählerstimmen kosten.
Es wäre also längst an der Zeit nicht nur einen Messias zu finden, sondern inhaltlich Lösungen zu präsentieren die den wirklichen Herausforderungen unserer Zeit entsprechen, die Realitäten der Menschen erfassen und nicht nur die wirtschaftlichen und gegenderten Bedürfnisse der eigenen Funktionär:Innen befriedigt.
BIS BALD,
EUER SIVIC
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…