Wer wusste vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos von dessen Existenz? Neueste Erkenntnisse der Exekutive zeigen, dass etwa die SPÖ-Spitze rund um Ex-Bundeskanzler Christian Kern sowie ein partei-naher Werbemanager offenbar bereits im April 2018 von dem brisanten Videomaterial Kenntnis hatte.
Bereits im Juni 2020 berichtete Inside Politics von den weiten Kreisen welche die Ibiza-Affäre insbesondere in Wien zieht. Wie sich nun herausstellte, war für manche Personen die Veröffentlichung des Videos im Mai 2019 weit weniger eine Überraschung als bisher bekannt. Denn wie Artikel von OE24 und der Investigativplattform EU-Infothek aufzeigen, hatte die SPÖ-Führung scheinbar seit April 2018 Kenntnis über die Existenz eines Videos, welches die FPÖ-Funktionäre Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus gravierend kompromittieren könnte.
SPÖ-FÜHRUNG WURDE IBIZA-VIDEO ANGEBOTEN
Aus den Veröffentlichungen geht hervor, dass im Oktober dieses Jahres zwei prominente Sozialdemokraten zur Zeugeneinvernahme bei der ermittelnden Soko-Tape (Soko-Ibiza) in der Wasagasse 20 im 9. Bezirk in Wien geladen waren.
In einem Fall handelte es sich um Christian Kern und im anderen um Thomas Drozda. Der ehemalige Bundeskanzler als auch der ehemalige Kanzleramts- und Kulturminister gaben dort Auskunft über Zusammenkünfte und Gespräche mit dem Anwalt R.M., der in den Medien immer wieder als einer der Drahtzieher des Ibiza-Videos genannt wurde.
Die beiden hatten im April 2018 Kontakt mit dem Anwalt und sprachen über den möglichen Kauf des Materials. Dabei ging es auch um Fotos von einer ominösen Sporttasche vollgefüllt mit Geldscheinen. Eine Geschichte, die später für viel Resonanz in den Medien sorgen sollte und das Ansehen von HC-Strache nachhaltig schädigte.
Beide schalteten daraufhin den Parteianwalt ein, dieser traf sich in weiterer Folge am 24. April 2018 mit dem Ibiza-Anwalt und erhielt Einblick in das Videomaterial. Nach reiflicher Überlegung lehnte die SPÖ-Führung den Kauf am 9. Mai 2018 schriftlich ab.
Ob der angestrebte Kaufpreis von 6 Millionen Euro oder rechtliche Überlegungen Gründe dafür waren, warum die Partei das Material nicht gekauft hat, lässt sich aus der Berichterstattung heraus nicht feststellen.
DROZDA: WERBEMANAGER X. HATTE KONTAKT ZU IBIZA-ANWALT HERGESTELLT
Bei der Befragung spielte auch ein SPÖ-naher Unternehmer (im Artikel Herr Y., Inside Politics führt ihn unter X., Name der Redaktion bekannt) eine Rolle. Ein Marketing-Spezialist wie OE24 und die EU-Infothek unter Berufung auf die Vernehmungsprotokolle von Drozda und Kern feststellen.
Dieser hatte sich mit Anwalt R.M. getroffen und offenbar „allgemeine“ Gespräche über das Ibiza-Video geführt, dabei soll es aber nicht um eine konkrete Geschäftsanbahnung gegangen sein. Laut dem Unternehmer ging es nur um die Tatsache, dass es sich um kompromittierendes Material vom damaligen FPÖ-Chef und späteren Vizekanzler H.C. Strache handeln würde.
Laut den beiden Medien soll X. mit Drozda über die Sache gesprochen und ihm auch darüber informiert haben, dass er den Kontakt zwischen Christian Kern und R.M. hergestellt habe. Dies steht teilweise im Widerspruch zu den Aussagen von X. Denn Herr X. wurde im Oktober 2019 (also ein knappes Jahr vor Drozda und Kern) von der Soko Tape zu einer Zeugenbefragung geladen.
Das dazugehörige Einvernahmeprotokoll wurde Inside Politics von der Investigativplattform Fass ohne Boden zur Verfügung gestellt und weist bedeutende Unterschiede zu den Aussagen von Drozda auf.
So bestätigte X. gegenüber den Behörden ein Treffen, gab aber an, dass es nach diesem Gespräch keine weiteren Besprechungen oder tiefergehenden Kontaktaufnahmen seinerseits mit R.M. gab. Diesem Protokoll zufolge soll er aber in den darauf folgenden Wochen sehr wohl mit anderen SPÖ-nahen Personen bzw. Funktionären über die Begegnung mit R.M. gesprochen, das Angebot jedoch weder für seriös noch für relevant befunden haben.
UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN ZEUGENAUSSAGEN
Und diese Darstellung steht jener von Drozda entgegen, was darauf hindeuten könnte, dass die Rolle von X. offenbar eine andere gewesen war, als man bislang angenommen hatte.
Inside Politics fragte schriftlich bei X. nach, warum es hier deutliche Unterschiede zwischen den beiden Darstellungen gebe. Dessen Vertretung die X. mit der Beantwortung medialer Anfragen beauftragt hat, verwies auf das vorliegende Protokoll und wollte darüber hinaus keine weiteren Angaben machen.
Die Differenzen in den Aussagen von Drozda und X. wurden in diesem Zusammenhang „lediglich“ als „semantische Spitzfindigkeiten“ bezeichnet. Weiters hieß es in den Antwortschreiben, dass X. das „Ibiza-Video“ zu keinem Zeitpunkt vor der Veröffentlichung gesehen und auch keinerlei Vorabinformationen über die Details des Inhalts des Videos erhalten hatte.
SOKO TAPE KONZENTRIERTE SICH BEI ZEUGE X. AUF ANDERE ERMITTLUNGEN
X‘ Vernehmungsprotokoll lässt vermuten, dass die Befragungstaktik der Ermittler der Soko-Tape auf ein anderes Thema abzielte. Wodurch dieser auch sehr allgemein in seiner Antwort zu Gesprächen über das Video mit anderen Personen blieb und keine detaillierteren Angaben machte.
So wurde X. auch nicht weiter zu möglichen Kontakten mit Christian Kern oder Thomas Drozda in der Causa gefragt. Sein Part in einer eventuellen Gesprächsanbahnung zwischen Anwalt R.M. und dem damaligen SPÖ-Chef Kern wurde daher nicht näher beleuchtet.
Da Thomas Drozda demnächst vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss geladen ist, wird es wohl auch zu dieser Episode noch einige Fragen der Abgeordneten geben.
BIS BALD,
EUER SIVIC
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