Justizministerium: Redaktionsgeheimnis gilt auch für Blogger und Social-Media-Nutzer – 402

Redaktionsgeheimnis-Blogger

Mit der Rechtsmeinung, dass das Redaktionsgeheimnis für Blogger gilt, hat das Justziministerium in der Netzgemeinschaft für Furore gesorgt, nun hat Inside Politics nachgefragt was darunter konkret zu verstehen ist. 

Das Justizministerium bestätigte auf Anfrage der SPÖ Abgeordneten Katharina Kucharowits (wir berichteten) die Rechtsansicht, dass Medieninhaber von Blogs unter das Redaktionsgeheimnis fallen. Inside Politics bat das Ministerium um Stellungnahme und fragte nach unter welchen Umständen das  Redaktionsgeheimnis auf Blogger, Youtuber, Facebooker und andere Medienbetreiber anwendbar ist, wer darunter fällt und welcher Art Judikatur (Rechtssprechung) es bislang gibt.

UPDATE: Die Antworten des Ministeriums zur Impressumspflicht und ob im Vorfeld zu den Hausdurchsuchungen bei Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, als auch dem Identitären-Chef Martin Sellner geklärt wurde ob in diesen Fällen das Redaktionsgeheimnis anzuwenden sei, sind mittlerweile eingetroffen und finden sich im Interview weiter unten.

IMPRESSUMSPFLICHT GILT IM ZWEIFEL AUCH FÜR SOCIAL-MEDIA-PROFILE

Besonders die Antwort des Ministeriums, dass das Redaktionsgeheimnis unter Umständen auch für normale Social-Media-Profile gilt, ist an dieser Stelle hervorzuheben. Denn diese implizierte auch die Pflichten für Medienbetreiber, womit etwa die Sorgfalts- und Impressumspflicht schlagend wird. Dabei ist zu unterscheiden ob es sich beim Profil um eine kleine oder große Webseite handelt.

Das heißt also, es wird darin differenziert ob jemand rein private Inhalte veröffentlicht oder Gedanken und Informationen publiziert die auch die Öffentlichkeit beeinflussen können.


Video: Claudio Schiesl erklärt in „On The Grid“ was es mit dem Redaktionsgeheimnis für Blogger auf sich hat.

So müssen, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, auch Impressums- und Offenlegungspflichten nach dem Mediengesetz eingehalten werden.
Das bedeutet auch, dass der einzelne Nutzer Daten wie eine Email-Adresse, die Betriebs-/Wohnanschrift und eine Telefonnummer angeben muss. Wer selbst eine Webseite hat, kann von seinem Profil aus auf diese verlinken. Damit ist es  „Kunden“ und anderen Nutzer möglich entsprechend der Verbraucherschutzkriterien die notwendigen Informationen, insbesondere nach §25 Mediengesetz, abzufragen. Wer gegen diese Auszeichnungspflicht verstößt, riskiert eine Verwaltungsstrafe von bis 20.000 Euro

INTERVIEW MIT DEM JUSTIZMINISTERIUM

Das Ministerium weißt in seiner Antwort aber explizit darauf hin, dass die meisten medienrechtlichen Fragen bezugnehmend auf Blogger und Social-Media-Nutzer noch nicht rechtlich geklärt sind. Es fehlt also an einer entsprechenden Judikatur (Rechtssprechung) welche die jeweiligen Rechtsmeinungen untermauert oder widerlegt. So gibt es aktuell lediglich Gesetzesinterpretationen die von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich ausfallen können.
Im Zweifel müssten also Blogger gegenüber Behörden explizit auf ihre redaktionelle Tätigkeit hinweisen.

Es stellt sich dabei auch die Frage welche Kriterien angesetzt werden damit etwa Personen die für Online-Blogs z.B. ehrenamtlich arbeiten aber nicht Inhaber der Seite sind vom Gesetz erfasst werden, denn diese müssen laut Gesetz nachweisen, dass sie wiederum einen nicht unbedeutenden Teil ihres Lebensunterhaltes mit journalistischen Tätigkeiten erwirtschaften. Näheres dazu im Interview.

Wir dürfen uns bei der zuständigen Ressort-Sprecherin Frau Mag. Ratz und ihrem Team für die Beantwortung der Fragen bedanken. 

Inside Politics: Ist die vom Justizministerium herausgegebene Rechtsinterpretation auch auf Betreiber von YouTube-Kanälen, Podcasts oder ähnlichen Medienwerken (Snapchat, Instagram usw.) im Internet umlegbar? Gilt die Rechtsansicht des Justizministeriums auch für Facebook-Profil-Seiten (keine Fan-Page) mit tausenden Followern, wie etwa jene von Heinz-Christian Strache?
Bundesministerium für Justiz (BMJ): Zu den angeführten Medien besteht bis dato – mit Ausnahme von Facebook-Seiten (15 Ns 35/16i, RS0125859) – soweit ersichtlich keine einschlägige strafrechtliche Rechtsprechung. Unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung geht das BMJ derzeit davon aus, dass YouTube-Kanäle, Podcasts und Ähnliches ebenso als Medien iSd § 1 Abs. 1 Z 1 MedienG und deren Betreiber ebenso als Medieninhaber iSd § 1 Abs. 1 Z 8 MedienG anzusehen sind. Medieninhaber ist dabei nach der Rechtsprechung stets derjenige, der für die inhaltliche Gestaltung letztverantwortlich ist (RS0125859), was auf Betreiber von YouTube-Kanälen, Podcasts und Instagram-Seiten wohl zutreffen wird. Medieninhaber bei Facebook-Seiten ist im Übrigen immer der Inhaber des jeweiligen Profils. Nach Ansicht des BMJ wird wohl auch die Facebook-Profilseite, sofern sie gedankliche Inhalte mitteilt oder darbietet, ein Medium iSd § 1 Abs. 1 Z 1 MedienG darstellen.

Inside Politics: Müssten Betreiber von Facebook-Profil-Seiten oder entsprechenden Medien, sofern Sie unter das Mediengesetz fallen, die vorgesehene Impressums-/ Offenlegungspflicht auch dann einhalten, wenn etwa die Hosting-Plattform keinen Platz für ein Impressum oder einen Link zu einem solchem vorsieht?
BMJ: Wir dürfen Sie auf §§25, 27 MedienG verweisen.
Die Offenlegungspflicht ist einzuhalten und Verwaltungsübertretungen in diesem Zusammenhang sind von der Bezirksverwaltungsbehörde der entsprechenden Gemeinde zu ahnden ist.

Anm. d. Redaktion: Das Ministerium hat im Wortlaut die Gesetzestexte zu § 25 Offenlegungspflicht und § 27 Verwaltungsübertretung angegeben. Nähere Erläuterungen finden Sie im Absatz „Impressumspflicht gilt im Zweifel auch Social-Media-Profile“ weiter oben.

Inside Politics: Würde die in der Antwort des Ministeriums zur parlamentarischen Anfrage zu findende Erklärung auch für Personen zutreffen die etwa bei Youtube-Kanälen unentgeltlich mitarbeiten die unter das AMD-G fallen oder müssen diese ebenfalls ein Einkommen oder Anstellungsverhältnis nachweisen? 

Anm. d. Redaktion: Die Antwort zu diesem Thema wurde mit der nächsten Frage gegeben.

Inside Politics: Was versteht das Justizministerium unter „nicht unbedeutendes“ Einkommen und „journalistische Mitwirkung“? Spielen dabei die Kriterien des „Kuratoriums für Presseausweise“, die bei der Vergabe von Presseausweisen zur Anwendung kommen, eine Rolle?
BMJ: Hierzu darf auf die diesbezügliche einschlägige Kommentierung von Rami im Wiener Kommentar zum StGB verwiesen werden (Rami in WK2 MedienG § 1 Rz 67): „Nach der Rsp verlangt die Qualifikation als Medienmitarbeiter eine ständige und nicht bloß gelegentliche redaktionelle Mitarbeit bei einem Medienunternehmen: Übe daher jemand seine Tätigkeit als freier Journalist nicht als ständiger redaktioneller Mitarbeiter aus, sondern lediglich nach sich jeweils ergebenden Gelegenheiten, sei er kein Medienmitarbeiter (OLG Wien 18 Bs 155/96, MR 1997, 194; 18 Bs 356/14f). Das ist zu eng: § 1 Abs 1 Z 11 MedienG verlangt für die Qualifikation eines Journalisten als Medienmitarbeiter nicht, dass dieser seine Tätigkeit ständig bei einem Medienunternehmen ausübt, sondern dass er die journalistische Tätigkeit an sich ständig ausübt, wobei das Gesetz die Grenze erst bei wirtschaftlich unbedeutenden Nebenbeschäftigungen zieht (in diese Richtung bereits Ozlberger, Ehrenschutz2 84; dahin deutet auch die Differenzierung in § 31 Abs 1 MedienG zwischen Medienmitarbeitern und Arbeitnehmern eines Medienunternehmens oder Mediendienstes). Nicht vom Gesetz gedeckt ist aber die verschiedentlich vertretene Ansicht, dass zumindest ein bedeutender Teil des Lebensunterhalts aus der betreffenden Tätigkeit gezogen werden müsse (Ozlberger, Ehrenschutz2 85 mwN).“
Mit Ausnahme der in der Kommentierung zitierten Rechtsprechung liegen hierzu bis dato keine einschlägigen Judikate vor, weshalb diese Literaturansicht ebenfalls vorbehaltlich und unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung zu sehen ist.
Die Kriterien des Kuratoriums für Presseausweise beinhalten – soweit auf der entsprechenden Website ersichtlich – durchaus passende Kriterien, ob diese jedoch von der Rechtsprechung herangezogen werden (können) und damit das Auslangen gefunden werden kann, kann mangels Vorliegens einschlägiger Judikatur nicht beantwortet werden.

Inside Politics: Müssen Behörden künftig bei Zeugeneinvernahmen nachfragen, ob eine Person ein Medienherausgeber, Journalist, Blogger etc. ist, oder ist der Betroffene selbst verantwortlich, dies mitzuteilen?
BMJ: Grundsätzlich sind Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu informieren, sobald im Verfahren Anhaltspunkte für einen Zeugnisverweigerungsgrund (hier: § 157 Abs. 1 Z 4 StPO) vorliegen. Ist dies bereits im Vorfeld der Vernehmung bekannt oder wird es vor der Vernehmung bekannt, so ist der Zeuge vor Beginn ihrer Vernehmung über zu belehren (§ 159 Abs. 1 StPO). Werden Anhaltspunkte für in solches Recht erst während der Vernehmung bekannt, so ist die Information zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen (§ 159 Abs. 1 zweiter Satz StPO). Eine explizite Nachfrage seitens der Behörden ohne Vorliegen entsprechender Tatsachengrundlagen, die auf einen bestehenden Zeugnisverweigerungsgrund hinweisen, ist dabei nicht vorgesehen.

Inside Politics: Wurde vor der Genehmigung der Hausdurchsuchungen bei Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und dem Identitären-Chef Martin Sellner im letzten Jahr, von den zuständigen Staatsanwälten und Richtern ebenfalls in Erwähnung gezogen, ob beide Personen aufgrund ihrer Tätigkeit als Medienherausgeber vom Redaktionsgeheimnis geschützt sind?

Anm. d. Redaktion: Das Ministerium konnte diese Fälle nicht kommentieren.

Inside Politics: Ist seitens der Ministerin (Mag. Alma Zadic) geplant, im Zuge einer möglichen Gesetzesänderung den Gesetzestext soweit zu adaptieren, dass der Begriff „Blogger“ oder ein juristisches Äquivalent dazu auch konkret vorkommt?

BMJ: Im Regierungsprogramm für die Jahre 2022-2024 ist in Bezug auf das MedienG eine „Prüfung sämtlicher medienrelevanten Gesetze mit dem Ziel einer Harmonisierung und Vereinfachung“ vorgesehen. Unter diesem Aspekt werden auch die Begrifflichkeiten des MedienG einer Prüfung unterzogen werden. Ob und welche konkreten legistischen Maßnahmen als Ergebnis aus dieser Prüfung hervorgehen werden, kann derzeit nicht beantwortet werden.

Inside Politics: Gilt das Redaktionsgeheimnis jeweils nur für die aktive Zeit eines Journalisten und Medienherausgebers oder ist dieses auch auf ehemalige Mitarbeiter, Herausgeber als auch Pensionisten anwendbar?
BMJ: Nach Ansicht des BMJ ist allein ausschlaggebend, ob die privilegierende Funktion als Journalist oder Medienherausgeber im Zeitpunkt des Informationsflusses gegeben war. Das Redaktionsgeheimnis erlischt damit wohl nicht mit der Beendigung der aktiven Zeit der jeweiligen Person.

BIS BALD,

EUER SIVIC

INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…

 

 

VonSivic

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