Interview mit Peter Stadlmaier von der Piraten-Partei Österreichs

VonSivic

19. September 2013

So Inside Politics, mal klassisch in der „Druckvariante“  und via Facebook, nicht zum ersten Mal habe ich den Piraten Fragen gestellt, allerdings ist Peter Stadlmaier (designierter Kandidat für die Nationalratswahlen 2013) erstmals mein Gast.

Claudio Schiesl

So fangen wir an, Peter wir kennen uns schon einige Jahre. Wie lauft der Wahlkampf für euch und was ist deine Aufgabe in diesem?
Peter Stadlmaier

Der Wahlkampf läuft in Anbetracht unserer beschränkten Möglichkeiten recht gut. Ich habe keine besonderen Aufgaben darin, ich bin lediglich Kandidat auf einem hinteren Platz der Bundesliste und helfe halt bei der  Beantwortung von Fragen oder bei Veranstaltungen.

Claudio Schiesl
Naja, soweit hinten bist jetzt auch nicht, aber ja ich mein Du bist ein alter Hase im Geschäft, wo siehst Du die Unterschiede zwischen den „alten“ Piraten und der Piratenpartei 2.0 wenn man das so sagen kann?

Peter Stadlmaier

Die „neuen“ Piraten haben vor allem einen viel weiteren Blickwinkel, der weit über die IT hinausgeht. Das ist zwar gut fürs Programm, aber führt natürlich immer wieder zu Spannungen, weil die Piraten eine sehr heterogene Gruppe sind. Das Nerd-Gruppengefühl der ersten Jahre ist weg, aber das war vermutlich unvermeidbar auf unserem Weg zu einer wählbaren Partei.

Claudio Schiesl

Da werden Erinnerungen an diverse Parteitreffen wach. Was mich zur Frage der inneren Integrität bringt, das Innsbrucker Mandat hat sich verselbständigt, die Grazer zeigen sich da integrer, jetzt habt ihr zu mindestens ein festes Standbein dass der Partei auch Geld bringt, ist es dennoch das geringe Budget was auch zusammenhält und wie werdet ihr den Fall Innsbruck und oder ähnliche Fälle zukünftig behandeln?

Peter Stadlmaier

Unser geringes Budget bewirkt zwar, dass wir für Karrieristen nicht besonders attraktiv sind, aber wirklich den Zusammenhalt fördert es nicht. Viele Leute sind enttäuscht, weil es gute Ideen gäbe, aber keine Möglichkeit der Umsetzung. Sowas drückt natürlich etwas auf die Stimmung. Ich rechne nicht damit, das es sowas wie den Fall Innsbruck noch einmal geben wird. Das Sammeln der Unterstützungserklärungen hat gezeigt, dass wir erstaunlich leistungsfähig sein können, wenn wir zusammenarbeiten – und es hat aber auch gezeigt, dass Landesorganisationen, die unbedingt autark sein wollen ansonsten einen verdammt schweren Stand haben.

Claudio Schiesl

Man merkt eine gewisse Nüchternheit, habt ihr also einen Reifungsprozess hinter euch und bist Du mit dem vorerst erreichten zufrieden, oder würdest Du Dir mehr Spendebereitschaft erwarten?

Peter Stadlmaier

Wir sind sicher ein gutes Stück „erwachsener“ geworden. Und das ist auch o.k., man kann nicht wie Peter Pan für immer ein Kind bleiben. Wichtig ist dabei, dass wir uns dabei nicht komplett anpassen und somit auch ein Teil des politischen Establishments werden. Bis jetzt ist uns das gelungen, allerdings nicht immer ohne Stolpern oder Schmerzen. Insofern bin ich ganz zufrieden, wie weit wir bisher gekommen sind, aber wir dürfen uns jetzt ja nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Und mehr Spendebereitschaft könnte *immer* sein!
Claudio Schiesl

That’s Business! Wo siehst Du die Partei am 30. September, unabhängig ob ihr den Aufstieg geschafft habt, oder nicht?

Peter Stadlmaier

Ich sehe uns auf jeden Fall weiterhin als kritische Opposition, die den Regierenden auf die Finger schaut und aktiv wird wenn sie Menschen- und Bürgerrechte in Gefahr sieht. Als „Gewissenswurm“ der Nation, sozusagen.

Claudio Schiesl

Du sprichst ein wichtiges Thema an, verärgert Dich das stagnierende und kapitulierende Verhalten der Österreichischen Regierung vor der NSA und der Prism-Affäre?
Und was wünscht ihr euch von einer zukünftigen Internetpolitik?

Peter Stadlmaier

Ja, natürlich bin ich sehr verärgert. Als Staatsbürger erwarte ich, das meine Regierung in so einem Fall Maßnahmen ergreift und die Bevölkerung umfassend informiert. Aber unsere Behörden haben ja offensichtlich nicht nur vor der NSA kapituliert, sondern auch mit ihr kollaboriert. Und alle Minister schweigen still und streiten jede Zuständigkeit ab. Da soll einem nicht die Galle hochkommen? Wir wünschen uns ein Netz, in dem *nicht* Konzerne und Regierungen bestimmen können, was gut und was schlecht ist, sondern jeder User für sich selbst. Ein Netz an dem möglichst alle Menschen teilhaben können, wo sie gleichberechtigt sind und selbst bestimmen können wie viel von ihren Daten und ihrer Privatsphäre sie preisgeben wollen – bis hin zur völligen Anonymität.

Claudio Schiesl

Würdest Du Dir mehr Eier in der Politik wünschen und keine Lippenbekenntnisse? Wäre zum Beispiel das Überflugsverbot für die NATO und ein Austritt aus der Partnerschaft für den Frieden, ein zeichen um den Amerikanern zu zeigen, mit uns nicht?

Peter Stadlmaier

Natürlich können wir als Kleinstaat keinen wirklichen Druck auf die USA ausüben, aber wir müssen ihnen bei ihren Schnüffelaktionen ja nicht auch noch helfen.
Wir können zumindest jegliche automatisierte Kooperation im nachrichtendienstlichen, militärischen und zum Teil auch im polizeilichen Bereich einstellen.
Dazu zähle ich z.B. die Weitergabe von Fluggastdaten und Kontoinformationen, die Identifikation von Personen, die Auslieferung von US-Staatsbürgen oder etwaige Durchfahrt- oder Überflugsgenehmigungen.
Was nicht bedeutet, dass man jetzt jeden US-Gangster in Wien frei rum laufen lassen soll, sondern dass jeder solcher Fall einzeln von uns geprüft und bewertet werden muss und keinesfalls US-Behörden automatisch alles bekommen oder gar selbst hier tätig werden können, so wie offensichtlich bisher.
Einen etwaigen Austritt aus der PfP sehe ich etwas kritisch, da er sich negativ auf die Peacekeeping-Missionen auswirken könnte und dadurch Unbeteiligte eventuell zu Schaden kommen. Aber auch hier müssen wir aufpassen, nicht zum Erfüllungsgehilfen der USA zu werden und jeden Einsatz sorgfältig einzeln bewerten.

Claudio Schiesl

Hat sich aber Österreich mit seiner Isolationspolitik nicht schon längst selbst ins Out verfrachtet und überlässt seine Außenpolitik anderen Staaten/Bünden?
Bei deinen umfassenden Antworten muss ich das natürlich auch fragen. wollt ihr einen PRISM/NSA Untersuchungsausschuss?
Peter Stadlmaier

Außenpolitisch betreibt Österreich derzeit keine Isolations- sondern eine Assimilierungspolitik. Es werden keinerlei eigene Akzente gesetzt, es wird nicht agiert sondern bestenfalls reagiert – vorzugsweise im Gleichklang mit den großen Nachbarn. Möglicherweise wird es eines Tages tatsächlich eine gemeinsame europäische Außenpolitik auf demokratischer Basis geben, aber bis dahin fließt noch viel Wasser die Donau hinunter und es viel zu früh jetzt schon die Hände in den Schoss zu legen.
Ein PRISM/NSA-Untersuchungsausschuss währe angesichts des intransparenten Verhaltens einiger Minister in diese Angelegenheit angebracht. Und zwar öffentlich und ohne Geheimhaltungserklärungen!
Claudio Schiesl

Glaubst Du das Österreich mit seiner Politik seine Unabhängigkeit aufgibt?
Peter Stadlmaier

Ja – Und zwar ohne irgendwelche Gegenleistung
Claudio Schiesl

Was wollt ihr dahingehend ändern?
Peter Stadlmaier

Mehr Außenpolitik mit Cojones, Mut zum Widerspruch auch gegenüber den „großen“ Staaten bzw. Konzernen, zur Unterstützung eigener Anliegen Verbündete im Lager der EU-Nationen finden und vor allem keine Abgabe von Souveränität an Institutionen die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen.
Claudio Schiesl

Also auch mehr Zusammenarbeit mit nicht „deutschsprachigen“ Nachbarstaaten?
Peter Stadlmaier

Natürlich. Wir haben vermutlich mehr gemeinsame Interessen mit Litauen oder Slowenien als mit Deutschland.
Claudio Schiesl

Gefällt mir, auch wenn Litauen kein Nachbarstaat ist !
Deinen / euren Standpunkt zum Thema Außenpolitik hast Du nun sehr deutlich gemacht
Peter Stadlmaier

Ich betrachte halt alle EU-Staaten als Nachbarn.

Claudio Schiesl

Eine sehr reife Einstellung. Ihr seid ja auch eine „europäische“ Partei mit vielen Schwestern und Brüdern in anderen Ländern. Wollt ihr die Fremdsprachenausbildung schon in Kindergarten und der Volksschule ausbauen und kulturelle Austauschprogramme Bildungspolitisch ausbauen?

Peter Stadlmaier

Dazu gibt es im Detail keinen Beschluss, aber im Prinzip sind wir generell für die Förderung der frühkindlichen Bildung – dass schließt auch die Sprache(n) ein. Und meiner persönlichen Ansicht nach sind kulturelle Austauschprogramme – besonders bei Kindern – ausgesprochen wertvoll.

Claudio Schiesl

So, nun zum letzten Thema unabhängig von der ganzen PRISM Debatte und den Überwachungsmethoden, ist Österreich eigentlich immer schon ein Spitzelstaat gewesen, wie sollte man diesen Beton der von Schule / Kindergarten ausgeht und dort anfängt, in die Politik (Parteien) folgt, das Privatleben mitbestimmt, in den Betrieben gelebt wird (Gewerkschaften), und bis in die Köpfe der Menschen reicht und quasi als Definitiv in unserem Leben drinnen steckt aufbrechen?

Peter Stadlmaier

Schwer zu beantworten, ein Patentrezept wirds dafür nicht geben. Aber der Dreh- und Angelpunkte sind Bildung und Information: Die Menschen müssen erfahren, was man alles mit ihren Daten machen kann, wer danach giert und wie sie sich davor schützen bzw. wehren können. Und sie müssen auch in der Lage sein, die Konsequenzen zu kapieren. Und dann müssen sie dieses Wissen noch an ihre Kinder weitergeben und ihnen mit gutem Beispiel vorangehen.
Als Piraten können wir hier, gemeinsam mit anderen Organisationen, versuchen, bei den Menschen Problembewusstsein zu schaffen und ihnen ihre Möglichkeiten aufzuzeigen.

Claudio Schiesl

Also als eine Art Volksanwalt helfen und Probleme lösen?
Peter Stadlmaier

Eher wie ein Tutor – damit sich die Leute dann selbst helfen können.


Claudio Schiesl

Also Hilfe zur Selbsthilfe, zu guter letzt, was möchtest Du den Menschen jetzt vor der Wahl mitgeben und was erwartest Du Dir von ihnen (Mutmenschen)?

Ich möchte ihnen mitgeben, dass sich nie irgendwas ändern wird, wenn sie sich zu Hause verkriechen und maulen wie schlecht doch die Welt/die Politik/die Menschen sind. Bewegt euch! Informiert euch! Organisiert euch! Wenn euch etwas nicht passt, dann tut das öffentlich kund, geht demonstrieren, bildet eine NGO. Oder zumindest geht wählen und trefft eure Entscheidung weise! Ich erwarte mir, dass die Bürger wieder mündiger werden und die Obrigkeitshörigkeit abstreifen. Nicht gleich von heute auf morgen, aber Stück für Stück. Selbst der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt [Lao Tse]
Claudio Schiesl

Danke Peter!

Und so wurde aus fünf Minuten, ein Nachmittagsgespräch mit Peter Stadlmaier via Smartphone, das nenne ich echte Fingerfertigkeit.

Nächster Gast ist Philip Pacanda, ebenfalls von den Piraten und Gemeinderat in Graz, er wird uns über seine ersten 8 Monate im Grazer Rathaus berichten und zu ein paar anderen Fragen, Rede und Antwort stellen.

VonSivic

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