Die Volksbefragung ist vorbei, die Präsidentschaftswahlen in Tschechien sind geschlagen, da könnte man als Mitteleuropäer fast meinen alles bleibt beim Alten und jeder geht wieder seinem Tagesgeschäft nach. Also geht es heute um das allseits beliebte der Parteibuchwirtschaft.
Dissertation nimmt Parteibuchwirtschaft unter die Lupe:
Gut, da stimme ich einmal zu und wenn wir schon beim Wort “Tagesgeschäft” sind, sollten wir doch einmal hinter die Kulissen von diesem schauen.
Solche Wahlkämpfe haben immer etwas gemeinsam, sie werden von Werbeagenturen geschaffen und in Zusammenarbeit mit dem Kunden/Parteikollegen geführt und auch bei “öffentlichen” Aufträgen spielt das Parteibuch nicht selten eine Rolle.
Gemeinhin spricht man hier von der “Parteibuchwirtschaft”, diese tritt sowohl bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge als auch bei Vergabeverfahren von Vorstandsposten oder Aufsichtsräten in Ministerien oder bei Unternehmen an denen die öffentliche Hand Alleineigentümer bzw. mehrheitlich beteiligt ist, auf.
Ein Artikel der Tageszeitung “Die Presse” über eine wissenschaftliche Studie welche die politische Verteilung von Vorstandsposten nach politischen Couleur in öffentlichen Institutionen und staatlichen Betrieben aufzeigt, macht dies sehr gut deutlich.
Die Studie wurde von Mag. Laurenz Ennser-Jedenastik im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Wien erstellt. Dabei beobachtete dieser die Vergabemuster bei der Ausschreibung von Managerstellen im Zeitraum von 1995 bis 2010 an denen der Bund mehr als 50 Prozent der Anteile hält. Ennser-Jedenastik kam auf exakt 1242 Spitzenmanager in 87 Firmen.
Das Spektrum reicht dabei von großen Unternehmen wie den Österreichischen Bundesbahnen, der Asfinag und dem Energieversorger “Verbund”, über bis zum Amtsblatt der “Wiener Zeitung” bis oder Timmeljoch Hochalpenstraßen Aktiengesellschaft.
Laurenz Ennser-Jedenastik hat dabei penibel genau auf Basis von Firmenbuchauszügen alle Mitglieder eines Vorstands, der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats (ohne die Betriebsräte) unter die Lupe genommen. Anhand von Recherchen in offiziellen Lebensläufen, Datenbanken, parlamentarischen Anfragebeantwortungen, Wahllisten und Medienarchiven überprüfte er bei jeder Person, ob sie einer Partei zugeordnet werden kann, so die Presse in ihrem Artikel.
719 von 1242 Spitzenpositionen mit parteipolitischem Hintergrund:
Dabei stellte sich wiederum heraus, dass das Parteibuch in der österreichischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt, denn von den 1242 Spitzenmanagern waren 719 Parteien zuzuordnen. 287 Stellen konnten der ÖVP, 281 der SPÖ und 151 der FPÖ bzw. dem BZÖ zugeordnet werden. Studienersteller Ennser-Jedenastik schätzt, möglicherweise noch höher ist, es über weniger bekannte/prominente Manager in kleineren Firmen vielfach kaum oder keine Informationen gab.
Besonders ausgeprägt ist der parteipolitische Postenschacher in den zehn größten Unternehmen, also etwa ÖBB, Verbund und Asfinag, denn dort liegt der Parteienanteil bei 67 Prozent, bei den restlichen Firmen sind es 51 Prozent.
Das ist eben Netzwerken auf die österreichische Art.
Doch nun möchte ich einmal anhand des Mikrokosmos Graz/Steiermark drei Beispiele anführen die zeigen, wie sehr ein Hr. Stronach (ich muss mir die Medien kaufen), die Piraten und zahlreiche andere Kritiker recht haben wenn diese die Meinung vertreten, dass in Österreich alles von den regierenden und etablierten Parteien kontrolliert wird.
Fall 1, Cafe Rosenhain:
Die FPÖ stimmt im Herbst 2012 plötzlich kurz vor der Gemeinderatswahl in Graz im darauf folgenden November im Einklang mit der ÖVP für den umstrittenen Umbau des Cafe-Restaurants Rosenhain in ein “Luxuslokal”.
Grund ein gewisser Architekt und Zivilingenieur Hr. DI. Deutschmann, welcher mit blauen Parteibuch ausgestattet und rein zufällig auch noch steirischer Landtagsabgeordneter ist, hat den Architekturbewerb um den mit 550.000 Euro ausgeschriebenen Umbau gewonnen.
Zufall oder kalkuliertes Einspringen und Eintreten im Parteiinteresse?
Der Fall ist vakant gestellt, da eine Bürgerinitiative (Rettet das Rosenhain) vor der Wahl im November mehr als 1100 Unterstützer via Facebook aufstellte, 1600 Unterstützungsstimmen sammelte und Bürgermeister Nagl dazu bewog die Notbremse zu ziehen und die Holding Graz anwies die Sache erst nach der Gemeinderatswahl weiterzuverfolgen.
Fall 2, Local Hero Kampagne:
Der Versuch Landeshauptmann Voves für jugendliche attraktiv zu machen und ihn als lokalen Helden zu stilisieren, war im Wahljahr 2010 den Initiatoren der Kampagne ein 3D-Animationsfilm, eine eigene Modemarke, sowie ein Store in der Grazer Mariahilferstr. mit “Sonderverkaufszeiten” wert.
Hinter der Firma Local Hero steht wiederum die Werbeagentur Sonnendeck mit Sitz in Graz, die Manfred Wegscheider einem Sohn des ehemaligen Landtagspräsidenten und aktuellen Bürgermeisters von Kapfenberg, “Manfred Wegscheider senior”, gehört.
Ein Beispiel von klassischen Parteiadel, aber eben im privatwirtschaftlichen Sinne.
Fall 3, PeerPR:
Eine Firma über deren Jobannonce ich zuletzt gestolpert bin und mir bei einem privaten Gespräch mit einem Vertrauten bestätigen lies, was ich nach dem lesen der Klienten-Liste und des CV des Firmengründers schon vermutete.
Der Gründer des Unternehmens Richard Peer arbeitete nach Abbruch seines Jus-Studiums und auch sicherlich durch die Hilfe seiner Kontakte in Vorfeldorganisationen und Parteimitglieder der ÖVP in diesem Fall dem Österreichischen Cartellverband (ÖCV), in der Grazer Stadtverwaltung und als Pressesprecher des ehemaligen Grazer Stadtrates Werner Miedel.
Im Jahr 2009 machte er seinen Abschluss als diplomierter Kommunikationskaufmann, danach gründete er sein Unternehmen.
Zu seinen Klienten gehören unter anderem das Bundesinnenministerium, das zuletzt wegen der Vergabe von Aufträgen an parteinahe Funktionäre und Agenturen in die Schlagzeilen geriet. Weiters sind die Stadt Graz, der steirische Fußballverband, die Genussregion Steiermark usw. als Kunden zu erwähnen.
Im Großen und Ganzen werden hauptsächlich staatliche Organisationen bedient und das ist zwar grundsätzlich nichts verwerfliches, doch der Anstrich ist es, der hier die Optik macht.
Summa Summarum:
Grundsätzlich sind solche Tätigkeiten privatwirtschaftlicher Natur und sorgen somit für Jobs, sowie eine gewisse wirtschaftliche Stabilität, Steuereinnahmen etc. Doch andererseits zeigen solche Aktivitäten das enge Geflecht zwischen Wirtschaft und Politik auf, diese Firmen könnten ohne staatliche Aufträge wahrscheinlich schwerer überleben als mit und gehören zu einem langen Rattenschwanz der den Parteien nachhängt.
Dass dieses System der Parteibuchwirtschaft den Hang zur Korruption zusätzlich beflügelt, zeigen die Beispiele der jüngsten Vergangenheit.
Es ist natürlich immer wieder in den Medien am Rande genannt worden, dass parteinahe Werbeagenturen dies oder jenes tun, siehe hierzu Rumpold. Doch kam es weder auf politischer, noch auf gesetzlicher Ebene zu Konsequenzen die daraus gezogen wurden.
Hier wird einfach die Selbstbedienungsmentalität und “Österreich gehört uns”-Parole von den Parteien auf Kosten des Steuerzahlers schamlos praktiziert.
Insbesondere verstehen sich aber solche Unternehmen als Mittler zur Kontaktherstellung zwischen Privatwirtschaft und Politik, z.B. wenn ein ausländischer Konzern in Österreich Geschäfte machen will, etc. pp.
Mit diesem Artikel zeige ich anhand von “echten” Beispielen, wie dicht das parteipolitische Geflecht in unserem Land ist und, dass ein Vorgehen dagegen diese Republik, um es mit den Worten des Gewerkschafters Rudolf Kaske zu sagen; “brennen lassen wird”, und damit ist nicht nur ein finanzielles Ausbluten gemeint.
Zuletzt stelle ich aber fest, dass wie immer in allen hier aufgeführten Fällen die “Unschuldsvermutung” gilt.
Cya, Sivic
Update 15.12.2022 (Kapitel “Dissertation nimmt Parteibuchwirtschaft unter die Lupe” und “719 von 1242 Spitzenpositionen mit parteipolitischem Hintergrund”, überarbeitet bzw. neu hinzugefügt.)
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