Auch 2022 ist wieder ein Wahljahr, wie wohl die diesjährige Bundespräsidentenwahl von Anfang an weniger aufgeputscht wurde als jene von 2016, war es auch diesmal keine „gmahte Wiesn“ wie es der amtierende und sehr wahrscheinlich im Amt bestätigte Alexander Van der Bellen mehrmals in den letzten Wochen betonte.
Ein Kommentar von Claudio Schiesl.
PFLICHTWAHL FÜR ALEXANDER VAN DER BELLEN
Die Wahlpflicht für die Bundespräsidentenwahl wurde verfassungsrechtlich 2007 abgeschafft, doch bleibt die Verpflichtung, dass die Amtszeit des Staatsoberhauptes nach 6 Jahren endet.
Dadurch kam es heuer zur Pflichtwahl für den Amtsinhaber Prof. Dr. Alexander Van der Bellen der federführend von den Grünen unterstützt wurde.
Das vorläufige Wahlergebnis (ohne Wahlkarten) zeigt laut Innenministerium Alexander Van der Bellen mit 54,6% der Stimmen deutlich voran. Direkt dahinter kommt auf Platz 2 Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) mit 19,1%, gefolgt von Dr. Tassilo Wallentin (8,4%), Dr. Dominik Wlazny (8,2%), Gerald Grosz (6%), Dr. Michael Brunner (2,2%) und Heinrich Staudinger (1,6%).
Summa Summarum ist das Wahlergebnis von Van der Bellen das schlechteste das ein Bundespräsident der sich der Wiederwahl gestellt hat bisher erreichen konnte. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es bei keiner Wahl davor sieben Kandidaten angetreten waren, auch das ist ein Novum.
Die Wahlbeteiligung (ohne Wahlkarten) ist mit derzeit 52% oder 3.340.609 abgegebenen Stimmen im Moment noch niedrig. 2010 lag diese beim zweiten Antritt von Dr. Heinz Fischer bei 53,6% (3.404.646 Stimmen) und beim ersten Wahlgang 2016 bei 64,56% (4.749.339 Stimmen).
Da 958.138 Wahlkarten ausgegeben wurden bleibt vorerst unklar wie viele davon zurückkommen. Da diese erst am Montag ab 9:00 Uhr geöffnet und ausgezählt werden dürfen, ist das endgültige Wahlergebnis für den späten Montag Nachmittag zu erwarten. Die amtliche Kundmachung durch die Bundeswahlbehörde ist für den 17. Oktober vorgesehen.
WAHLKAMPF FAST OHNE HÖHEPUNKTE UND EMOTIONEN
Während sich die Bundespräsidentenwahl 2016 zu einem Wahlkrimi entwickelte der acht Monate lang dauerte, war diese Wahl im Vergleich zu anderen Urnengängen sehr nüchtern. Wohl gab es Wahlkampagnen, selbstverständlich auch Plakate auf den Straßen und natürlich wurde mit Wahlveranstaltungen um die Stimmen der geneigten Wählerschaft gebuhlt. Doch war alles ruhiger und sparsamer als 2016. Auch das mediale Interesse hielt sich in Grenzen. Es wurde mehr nach dem Motto „Dienst nach Vorschrift“ berichtet, als übermäßig emotional die Stimmung aufzupeitschen. Selbst der Amtsinhaber glänzte lange Zeit im Wahlkampf durch Abwesenheit und nahm entsprechend seiner Verpflichtungen mehrere Aufenthalte im Ausland (z.B. UNO-Vollversammlung in New York) wahr, ehe er in den letzten drei Wochen sich zunehmend in Interviews den Medien stellte.
Es war eine ruhigere Kampagne wenn auch so mancher Gegenkandidat diese Wahl als Abrechnung mit der Regierung und den politisch etablierten Kräften inszenierte. So ging es innerhalb der jeweiligen Informationsblasen in den sozialen Medien durchaus heiß her, aber in keinem Fall war die Bundespräsidentenwahl 2022 mit jenem polarisierenden Zweikampf von 2016 vergleichbar. Was nicht nur daran lag, dass sich Alexander Van der Bellen Diskussionen mit seinen Mitbewerbern verweigerte.
Gegen den Amtsinhaber wollte keine andere Partei bis auf die FPÖ (Walter Rosenkranz) einen Kandidaten aufstellen. Dies führte dazu, dass sich neben den Parteiobmännern der Kleinparteien MFG (Michael Brunner) und der Bierpartei (Dominik Wlazny) auch drei Privatpersonen, nämlich der Medientrainer/Blogger und ehm. BZÖ-Obmann Gerald Grosz, der Rechtsanwalt und Kolumnist Tassilo Wallentin sowie der Unternehmer Heinrich Staudinger. Die beiden letztgenannten Kandidaten haben zwar wenig oder keine politische Erfahrung, sind dafür wirtschaftlich sehr erfolgreich und in der Öffentlichkeit durchaus bekannt.
1,4 MILLIONEN MENSCHEN NICHT WAHLBERECHTIGT
Darüber hinaus sind die Diskussionen um eine Wahlrechtsreform und eine Verschärfung der Auflagen zum Antritt für die Bundespräsidentenwahl ist insbesondere von Medien aber auch von Gruppen vorwiegend im linken Parteienspektrum betrieben worden.
Allen voran liegt dabei der Diskurs um das Ausländerwahlrecht, denn in Österreich dürfen derzeit 1,4 Millionen Ausländer nicht wählen. Ausnahmen sind Vertretungswahlen wie etwa jene zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) oder der Wirtschaftskammer (WKO) sowie Gemeinderatswahlen und die EU-Wahl (Europäisches Parlament). Bei Kommunalwahlen sind in Österreich neben der einheimischen Bevölkerung aber wiederum nur EU-Bürger und keine Angehörigen von Drittstaaten wahlberechtigt.
Diese führte dazu, dass in der Berichterstattung von einer Ungleichberechtigung und einer zunehmenden Divergenz zwischen Bürgern erster Klasse (Inländern) und zweiter Klasse (Ausländer) die Rede war. Insbesondere nimmt die Debatte Fahrt auf, weil 950.000 Ausländer in einer Erwerbstätigkeit stehen, womit diese Steuern und Abgaben bezahlen.
Vergleiche zum südafrikanischen Apartheidsregime (1948-1994) zeigen, dass hier langfristig ein tiefgreifender gesellschaftlicher Diskurs im Gange ist. Dass die gewählten Vergleiche nicht immer passen sei dahingestellt, denn einerseits ist das Aufzeigen dieses bedeutenden Themas wichtig und andererseits geht es gewissen Personengruppen nur um die emotionale Erregung und gezielte Polarisierung.
DEBATTE UM WAHLRECHTSREFORM
Nicht weniger brisant sind die Vorschläge die Zulassung zur Wahl zu erschweren. Unzufrieden mit der Qualität und den Ansichten einiger Kandidaten, von denen einige Quereinsteiger waren, ließen einige Journalisten mit der Forderung aufhorchen, das Wahlrecht zu reformieren.
So sprach sich der Leiter des Ressorts Innenpolitik im ORF, Mag. Hans Bürger, für die Erhöhung der Anzahl der für eine Kandidatur notwendigen Unterstützungsstimmen von derzeit 6.000 Unterschriften auf 50.000 aus. Vorbild ist hierbei Tschechien.
Weiters sprach Bürger, wie auch mehrere seiner ORF-Kollegen davon, dass man die Wahlkampfkostenrückerstattung bei Bundespräsidentenwahlen einführen könnte.
Ob dadurch Parteien dann eher gewillt sein würden Kandidatinnen und Kandidaten aufzustellen bleibt abzuwarten. Die Rückerstattung von Wahlkampfkosten gibt es in Österreich nur noch bei den EU-Wahlen, für die Nationalratswahl wurde diese 2012 abgeschafft. Auch scheint dies in Zeiten knapper Budgets und der ständigen Debatte über die Höhe der Parteienförderung, nicht das richtige Mittel zu sein. Dabei ist aber anzumerken, dass die Präsidentschaftskandidatin Dr. Irmgard Griss, bereits 2016 eine Wahlkampfkostenrückerstattung forderte.
Und apropos Frauen, auch das Fehlen einer weiblichen Kandidatin wurde diesmal stark kritisiert. Inwiefern aber eine Frauenquote für die Bundespräsidentenwahl politisch denkbar und rechtlich machbar wäre, wird sich erst mit der Zeit zeigen.
BIS BALD,
EUER SIVIC
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…