Am 03. Juni 2024 verstarb die ehemalige Bundeskanzlerin und Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes der Republik Österreich, Dr. Brigitte Bierlein, nach kurzer schwerer Krankheit. Bierlein schrieb in ihrer Karriere mehrmals Geschichte, sie war in vielen Funktionen jeweils die erste Frau die ein Amt ausführte. Wir wollen Bierlein gedenken und ihre Karriere Revue passieren lassen.
BRIGITTE BIERLEIN VERSTORBEN
Am Montag verstarb die ehemalige Bundeskanzlerin und Verfassungsrichterin Dr. Brigitte Bierlein nach kurzer schwerer Krankheit. Bierlein stand im Jahr 2019 – für ein halbes Jahr – der sogenannten “Expertenregierung” als erste Bundeskanzler der Republik Österreich vor. Sie folgte auf Kurzzeit-Kanzler Hartwig Löger der für eine Woche die Regierungsgeschäfte übernommen hatte und Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP), der eine Vertrauensabstimmung im Nationalrat verloren hatte, ersetzte.
Die studierte Juristin begann ihre Karriere 1975 als Richterin am Bezirksgericht “Innere Stadt” in Wien. 1977 wurde sie Staatsanwältin für allgemeine und politische Strafsachen, 1986 wechselte Bierlein zur Oberstaatsanwaltschaft Wien. Danach arbeitete sie eine Zeit lang in der Strafrechtssektion des Justizministeriums ehe sie als Oberstaatsanwältin zur Oberstaatsanwaltschaft Wien zurückkehrte.
Es folgten mehrere Stationen in denen sie jeweils als erste Frau die entsprechenden Ämter bekleidete:
1990 wurde sie die erste Frau im Amt des Generalanwalts in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof und war dort auch stellvertretende Leiterin der Generalprokuratur. Von 2001 bis 2003 war sie die erste Präsidentin der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte. 2003 wurde sie – auf Vorschlag der FPÖ – erste Vizepräsidentin am Verfassungsgerichtshofes. Während der ersten Amtszeit von Bundeskanzler Sebastian Kurz, wurde Brigitte Bierlein 2018 die erste Präsidentin des Höchstgerichts.
ERSTE BUNDESKANZLERIN ÖSTERREICHS
Im Zuge der Wirren rund um die Ibiza-Affäre übernahm Bierlein, als erste Frau überhaupt, die Regierungsgeschäfte und wurde von Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen am 3. Juni 2019 zur Bundeskanzlerin ernannt. Dieses Amt führte Sie bis bis zum 7. Jänner 2020 aus, danach wurde Sie von ihrem Vor-Vorgänger Sebastian Kurz abgelöst. Bierleins Regierung hatte die Aufgabe bis zur Regierungsbildung nach den vorzeitigen Neuwahlen eine stabile Verwaltung zu garantieren und die Staatsgeschäfte bis dahin zu führen. Sie verfolgte jedoch kein politisches Programm, gleichzeitig war es das erste paritätisch besetze Kabinett in dem gleich viele Männer wie Frauen vertreten waren.
Die Ministerinnen und Minister des Kabinetts Bierleins veröffentlichten mehrere Statusberichte um den Zustand der einzelnen Ministerien zu dokumentieren, darunter auch der vielbeachtete Bericht von Vizekanzler und Justizminister Dr. Clemens Jablona über den “Stillen Tod der Justiz”. Doch auch der sogenannte Starlinger-Bericht, Unser Heer 2030, der im Auftrag des vom ehemaligen Verteidigungsministers und heutigen Generalmajors Mag. Thomas Starlinger erstellt wurde, zeigte bereits wie das Bundesheer finanziell neu aufgestellt werden müsste. Ein Plan der vom damaligen ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz abgelehnt wurde, weil die damals geforderte Erhöhung des Heeresbudgets auf 1% des BIP das “Budget sprengen würde”. Mit der Ausweitung des Krieges auf die ganze Ukraine hat sich jedoch diese Grundhaltung schlagartig geändert. Der Bericht von damals war eine der der Grundlagen für die seit 2022 stattfindende Erneuerung des Heeres.
KANZLERSCHAFT AM VORABEND DER KRISENJAHRE
Bierleins kurze Kanzlerschaft fand am Vorabend der Corona-Pandemie ihr planmäßiges Ende und war eine Atempause in einer innenpolitischen unruhigen Zeit, was danach folgte war eine der größten Gesundheitskrisen in der Geschichte Österreichs, gefolgt von der Ausweitung des Ukraine-Krieges bis hin zur Energiekrise, Inflationskrise usw. In der Nachbetrachtung könnte man Bierleins Amtszeit ähnlich wie die Sommermonate vor Beginn des ersten Weltkriegs betrachten, es war eine Ruhepause kurz bevor der Sturm über das Land zog.
Brigitte Bierlein starb drei Wochen vor ihrem 75. Geburtstag (25. Juni). Das feierliche Requiem findet am 14. Juni ab 11:00 Uhr Wiener Stephansdom statt, der Leichnam wird ab 07:00 Uhr im Stephansdom aufgebahrt und nach dem Requiem um auf den Wiener Zentralfriedhof überstellt. Bierlein wird dort in einem Ehrengrab beigesetzt.
Video: Brigitte Bierleins Rede am Gemeindetag 2019 in Graz.
Aus gegebenem Anlass widmet Inside Politics die 556 Folge Brigitte Bierlein, wir haben deshalb die Festrede Bierleins vom Gemeindetag 2019 in Graz aus dem Archiv geholt und als eigenen Beitrag veröffentlicht. Damals erklärte die kurz zuvor bestellte Bundeskanzlerin vor tausenden Gemeindevertretern, -Vorständen und Bürgermeistern, wie wichtig es ist, dass sich die Bevölkerung auf die Verwaltung verlassen könne und welchen Wert es hat tagtäglich für das Wohl der Bürger zu arbeiten.
Unsere Gedanken sind bei der Verstorbenen und den Hinterbliebenen.
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…