Gibt es ein genetisches Gedächtnis?
Ich glaube die Frage muss man sich sicher einmal stellen, immerhin ich war nicht zum ersten Mal in Triest und in Österreich hört man immer wieder vom Widerstand der Triestiner gegen die italienische Besetzung.
Was es aber sicherlich gibt ist ein kollektives Gedächtnis einer Gesellschaft und dass die Triestiner dieses noch haben, konnten Sie am 8. Dez. 2013 einmal mehr beweisen.
Meine erste Fahrt nach Triest liegt schon eine lange Zeit her, ein gefühltes halbes Leben lang, aber da ich erst 29 Jahre jung bin ist diese Zeitspanne noch sehr kurz.
Ich verstand dies bislang immer als Teil einer stillen Ablehnung, mittlerweile kann man allerdings nicht mehr von einer “stillen” Ablehnung sprechen, hier geht es schon recht laut und enthusiastisch zu.
Sivic, Du spinnst doch, die Triestiner wollen unabhängig werden?
Nein, ich spinne zur Abwechslung nicht, die Lage in Triest hat sich extrem verschlimmert, die Stadt hat mit einer Abwanderungswelle zu kämpfen, der internationale Hafen wird und wurde sich selbst überlassen und liegt zum Teil in Trümmern, leider hatte ich gestern nicht genug Zeit ausreichend Bildmaterial mit meiner Kamera zu schießen, aber es spricht schon für sich, die Verwaltungsgebäude sind frisch renoviert, die Strasse neu geteert, doch hier fängt es an, die Schienen wurden nämlich gleich zu asphaltiert, die Arbeit ist nicht viel älter als ein, zwei Jahre, denn zu schwarz ist noch der Teer und die Kontorhäuser bestehen aus einstürzenden Dächern und verrottenden Fassaden.
Das ist schon gewollt und bevor ich hier jetzt weiter auf die italienische Besatzungsmacht schimpfe werde ich kurz in die Vergangenheit greifen um zu erklären um was es hier geht.
Triest, ein Freistaat entsteht!
Unsere Geschichte beginnt im Jahre 1947, als die Stadt Triest im Zuge des Friedensvertrages mit Italien zum “Freien Territorium Triest” erklärt wurde.
Italien musste nämlich nach dem zweiten Weltkrieg auf Triest und Istrien verzichten, die Triestiner wurde unter Verwaltung und Schutz der UN gestellt und der Freihafen sollte als wirtschaftliches Tor zum Welthandel für Österreich, die Schweiz, die damalige Tschechoslowakei und Ungarn dienen.
Besagte Staaten sollten die Möglichkeit haben Schiffe dort zu registrieren und zu günstigen Bedingungen im Freihafen Handel treiben können.
Ölleitungen die von Triest aus nach Österreich gehen und die historische Südbahn, die Autobahn, sowie der Freihafen selbst sind Zeugen jener Pläne und auch industrielle Monumente aus der Blütezeit Triests.
Triest wurde 1947 unter eine militärische Verwaltung gestellt, auf der einen Seite war die Zone A welchen von Briten und Amerikanern besetzt wurde mit der Stadt Triest als Zentrum, auf der anderen Seite die Zone B welche von den jugoslawischen Truppen verwaltet wurde.
Ziel war es eine provisorische Militärverwaltung zu installieren, welche dann die Zügel an eine zivile Verwaltung übergeben sollte.
Doch die Weltpolitik führte zu anderen Entwicklungen, die Siegermächte konnten sich nicht auf einen Gouverneur einigen und der Kalte Krieg beschleunigte die Entwicklung des gegenseitigen Misstrauens.
1954 wurde die Zone A provisorisch als ziviles Verwaltungsgebiet an Italien übergeben. Die USA, Großbritannien, Jugoslawien und Italien unterschrieben in London ein Memorandum of Understanding in dem die zivile Verwaltung der Zonen A und B geregelt wurde, die Zonengrenzen selbst verschoben sich nur minimal und Italien wurde dazu verpflichtet den Freihafen zu erhalten und weiterzuentwickeln.
1975 wurde im Vertrag von Osimo die aktuell gültige Aufteilung der Zonen A und B bestätigt und durchgeführt, hierbei ist wieder festzuhalten dass diesem bilateralen Abkommen keine internationale Vereinbarung unterliegt und keiner der Siegesstaaten des 2. Weltkrieges dies mitgetragen hat.
Hintergrund für dieses letzte bilaterale Abkommen waren westliche Bedenken (nicht zuletzt die der Amerikaner) dass es im Falle von Titos (damaliger Präsident Jugoslawiens) Tod zu Destabilisierungen im damaligen Jugoslawien kommen könnte und die Sowjetunion die Zone B besetzen könnte.
Soviel zur Geschichte, weitere Details dazu findet ihr nicht zuletzt auch auf folgenden Seiten, Wikipedia ist hier bitte mit Vorsicht zu genießen.
http://www.triestelibera.org/2013/06/unser-hafen-ist-euer-hafen/
http://www.triestelibera.org/2013/06/die-pressetrieste-libera/
http://www.triestfreeport.org/?page_id=2192&lang=de
Italien raus….
Zurück zur Gegenwart, es war echt erstaunlich, sehr professionell organisiert teilten uns die Veranstalter in den Corso ein und man hörte aus tausenden Kehlen “Italien raus” und das in einer Stadt, in der nicht Deutsch gesprochen wird.
Die Leute haben es satt von den Italienern verarscht zu werden und vorgeschrieben zu bekommen wie sie leben sollen, sagte mir ein aktiver Professor im Protestzug und ja ich dachte ich bin in einem anderem Film, als die Leute meine Österreichische Marineflagge erspähten und “Vivat Austria” riefen.
“Ist dies der Anfang einer monarchistischen Renaissance?”
Da bin ich noch etwas skeptisch, aber es hat schon Explosionskraft wenn eine triestinische Rockband den ACDC Klassiker TNT in TLT (Territorio Libera Trieste) ummünzt und man in der langen Schlange der Demonstration, italienische, slowenische, deutsche und englischsprachige Transparente sieht.
Man merkte eine pluralistische und weltoffene Haltung die voller Hoffnung ist, trotz der dramatischen wirtschaftlichen Entwicklung und der Abwanderung von 3.000 Einwohnern pro Jahr.
Eine sterbende Stadt gibt ein starkes Lebenszeichen von sich, auch wenn die Innenstadt glänzt, Triest kämpft um sein Überleben.
Tief ergriffen verließ ich die Stadt, die ich schon als Kind bewunderte und wenn Triestiner mit Tränen in den Augen dich als Österreicher umarmen, ins Herz schließen und wie einen Befreier empfangen, braucht man meiner Meinung nach nicht mehr viel sagen, außer: “Österreich erwache!”