Die von 11-13% träumenden NEOS wurden desillusioniert, Europa Anders paralysiert, REKOS auf den harten Boden der Realität zurück geholt, das BZÖ liquidiert und EU-Stop davon überzeugt weiter zumachen, denn der Name zieht und ist Programm.
Irgendwie ist es trotzdem unglaubwürdig dass die kleinste der Parteien nämlich EU-Stop mit dem geringsten Budget (Eur. 20.000,- ), 2,7% aus dem Stand heraus erreichte und damit aufzeigte dass die Frustration doch so groß ist, dass die Leute griffige Parteinamen wählen, die scheinbar Programm sind.
Zum Vergleich, das BZÖ verpulverte 500.000,- Euro in einen Wahlkampf in dem es unter die aktive Wahrnehmungsgrenze fiel und ob man mit 0,5% der Stimmen die Wahlkampfkosten rückerstattet bekommt, weiß ich es jetzt nicht, bei Nationalratswahlen waren dafür immer 1% der Wählerstimmen notwendig, bei diesen wurde die Rückerstattung aber abgeschafft, bei EU Wahlen jedoch nicht.
REKOS und Europa Anders konnten mit ihren 50. – 100.000,- Euro (1.) starken Wahlkampfkassen diese Grenze zwar überspringen, damit wird Ewald Stadler auch einen Teil seiner Ersparnisse zurückbekommen, doch wie es mit beiden Gruppen politisch weitergeht ist fraglich.
Was bleibt, ist ein Achtungserfolg mit geringen finanziellen Mitteln und dies nutze ich gleich als Überleitung zu einer Betrachtung der einzelnen Parteien.
8,1% für die NEOS, ein furchtbares Ergebnis.
Während andere Parteien vor zerbrochenen Träumen stehen, sitzen die Tafelklassler des Parlaments vor zerbrochenen Geschirr, denn für die Bestnote 1 mit 13-15% reichte es nach der Anti-Mlinar Kampagne wegen der Wasserprivatisierung, dem Ende der Neutralität und den Vorschlägen zur gemeinsamen europäischen Armee nicht. Die NEOS machen den Eindruck eines sich selbst überschätzten Kindes dass wegen dummer Rechenfehler nur einen Dreier statt einen Einser bekommen hat.
Grund genug, einmal in sich zu gehen und zu analysieren was da jetzt von anderen ausgenutzt wurde und schief lief.
Zeit und Möglichkeiten für Palastrevolutionen könnte es dadurch bald einmal geben, aber bei den NEOS wird man jetzt hoffentlich nicht gleich Mlinar’s Rücktritt fordern und von einer Krise reden, sonst hätte man sich die Stronachitis eingeholt.
Interessant sind aber die internen Probleme der NEOS, im eigenen Journal wurde angekündigt dass das System der Online-Vorwahlen für die Vorarlberger-Landtagswahlen ausgesetzt wird. Bereits letzten Herbst kritisierte Lukas, Daniel Klausner von den Piraten, NEOS-Chef Matthias Strolz im Neuwal Studio während der heißen Phase der NR-Wahlen, die Vorwahlen an denen sich jeder Bürger via Online-Stimmabgabe und Zahlung eines Wahlzens (Gebühr) von 10 Euro beteiligen konnte.
Die Gründe für die Kritik lagen einerseits in den Geistern der Maschine und einer möglichen Manipulation durch gefälschte Kontodaten. So gaben die NEOS nun zu das 44 solcher Fälle festgestellt wurden.
Der im NEOS-Journal beschriebene Aufwand für die aufgefallene Manipulation von etwa 2% der Stimmen ist aber gemessen vom Nutzen, wohl recht hoch, gefälschte Emailadressen, bezahlter Wahlzens und Simkarten mit Prepaid-Verträgen für die Bestätigungs-SMS, da muss jemand gut 1.000,- Euro oder mehr ausgegeben haben. Respekt, vor allem wenn man weiß, wie das günstiger und mit weniger Aufwand geht.
Wie man das System adaptieren wird und in Zukunft eine Limitierung der Nutzer für Landtagswahlen einbauen will, wird sich erst zeigen.
Die Bürgerkarte wäre sicher eine Option, wie man den Wohnsitz abgleichen wird ist scheinbar noch die technische Herausforderung.
Bleibt zu hoffen dass das Kernelement der Bürgerbeteiligung auf den die NEOS so stolz sind, kein zweimaliges Experiment war. (3.)
Abgesehen von diesem recht eigenwilligen Fall von Wahlbetrug, hat die Partei nach wie vor ein sehr gutes Ergebnis eingefahren, auch wenn der Abstand zu den Grünen 7% beträgt und man sich defakto verdoppeln müsste um diese einzuholen, nur zum Vergleich bei der Nationalratswahl waren die Grünen drei mal stärker als die damals „neuen“ Pinken und ja die dunkel-rosa Umrandungen der Grünen auf ihren Wahlplakaten zeigen wohl auch, dass die Umweltpartei die Zeichen der Zeit verstanden hat.
Offener Brief und Unmut am Piratenschiff
Euphorisch zeigten sich Clay und Klausner im Interview bei Inside Politics Ende Jänner über die Plattform Europa Anders. Selbst die Schützenhilfe in den letzten Tagen vor der Wahl durch das SORA Institut dass der bunten Wahlplattform mit einer beherzten Wahlkampagne und einem ein ORF-Studio verlassenden Spitzenkandidaten, gute Chancen einräumte ein Mandat zu erhaschen, halfen nichts. Im Endspurt wurde man von den EU-Gegnern recht deutlich überholt, denn ein halbes Prozent ist in diesen niedrigen Gefilden eine ganze Menge.
Die tschechischen Piraten können ein Lied davon singen, denn die nächste Partei mit einem Mandat im EU-Parlament hat 0,4% Vorsprung zu ihnen und dass ist natürlich sehr bitter, denn die tschechischen Piraten scheitern an einer 5% Hürde. Also die Sperrklausel welche in Deutschland durch den Verfassungsgerichtshof abgeschafft wurde. Kein Wunder also, dass die streitbaren Tschechen eine Verfassungsklage überlegen.
Und nun geht der Katzenjammer erst richtig los, die Grafik auf der PPÖ-Webside veranschaulicht das Problem, zwar ist die deutsche Kandidatin gleichzeitig bei den Österreichern Mitglied und das kann als Trostpflaster gesehen werden, hilft aber bei einer Alleinkandidatur 2019 nicht. Da ihre Unterstützungsstimme nicht für Österreich gilt, außerdem wollen die Piraten wie man dies bereits aus dem EU-Wahlkampf kennt, auf diese Art erst gar nicht kandidieren.
Generell haben die Piratenparteien bei dieser Europa-Wahl wieder einmal ein durchwachsenes Ergebnis erzielt.
In Deutschland ist man zwar mit einem Mandat drinnen und hat bei gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen 200 weitere Mandate erreicht, was in Summe ein gutes Ergebnis ist, doch nun kommen die schlechten Nachrichten.
Die Schweden flogen nämlich raus und ausgerechnet diese waren es, die im Wahlgang 2009 zwei Mandate holten und den Piratenboom auslösten, der sich aber kaum in Wahlergebnissen um-münzen lies. Somit verliert die europäische Bewegung in Summe ein Mandat.
Die Piraten hätten laut Umfragen in Deutschland, Luxemburg, Österreich, Tschechien und eben Schweden, die meisten Chancen gehabt, konnten jedoch eben nur in der BRD einen Platz im EU-Parlament ergattern.
Interessanterweise liegen die deutschen Piraten sogar deutlich unter dem Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl. Mit 1,4% liegt man 0,8% unter dem Wert vom September und dass obwohl die meisten Gesetze die bei den Piraten Thema sind, in Brüssel bestimmt werden.
Hier braucht es also sicherlich noch Überzeugungsarbeit und Maßnahmen zur Sensibilisierung der Wähler auch zu dieser Wahl hinzugehen, mit den European Pirates als Plattform geht man ja schon einen richtigen Weg.
Weiteres Trostpflaster, durch die 4,2% in Luxemburg hat der dortige Ableger sich für die öffentliche Parteifinanzierung qualifiziert.
Aber zurück nach Österreich, fast selbstverständlich entstehen nämlich hier wieder Bruchlinien. So schrieb der ehemalige Bundesvorstand Andre Igler, einen offenen Brief an Bundesvorstand Christopher Clay (c3o), in dem er ihn aufforderte eine außerordentliche Generalversammlung einzuleiten und über die Ausrichtung der Piratenpartei zu diskutieren.
Es geht nicht zuletzt auch um die seiner Meinung nach untergegangenen Ziele und Forderungen der Piraten, die zu Gunsten der von „Europa Anders“ fokussierten Themen weniger in den Vordergrund gerückt wurden.
Wie ich es bereits in meinem Artikel über die Plakate erklärte, fiel mir ja auch auf, dass die KPÖ die Themen teilweise vorgab und selbst mehr als KPÖ für Europa Anders warb, als sich in das Bündnis mit Verzicht auf den eigenen Namen einzubauen, wie es etwa Piraten und Wandel taten, denn diese wurden auf den Plakaten, außer durch die Parteifarben im Logo, kaum mehr erwähnt.
Eine der ersten Kraftproben für den Vorstand der Piraten wird damit wohl die kommende Landesgeneralversammlung (LGV) am 1. Juni, in Wien sein, wo man sich auch schon Gedanken über die Landtagswahlen und die Positionierung bei dieser machen wird.
Ich schätze einmal, dass es sicherlich wiedereinmal mehr in der Piratenpartei köcheln wird, das liberale-bürgerliche Lager wird auf die linken Kräfte der Partei eindreschen und umgekehrt, aber dies wäre auch nicht das erste Mal.
Insbesondere die gemeinsame Wahlplattform war in der letzten Zeit bei den enttäuschten und „lauten“ parteiinternen Kritikern auch Ziel von Gerüchten und Vermutungen dass der Bundesvorstand der PPÖ von der KPÖ bezahlt wurde, damit die Piraten bei Europa Anders mitmachen.
Eine angebliche Spanien-Reisen des Vorstandes die von den Kommunisten finanziert worden sein soll und bei der man sich mit den Linken des EU-Parlamentes traf und die Nähe von Philip Pacanda zum KPÖ-Klub im Grazer Gemeinderat, wurden da als Indizien kolportiert.
Dies soll auch Teil der Kampagne gewesen sein die Piraten ins „andere“ Boot hinein zu holen.
Und auch der Austritt des Altmeisters und Urgesteins Peter Stadlmaier (Ohm), der bislang noch jeder Veränderung und jedem Taifun trotzte und in der Partei verblieb, düngte den Boden der Kritiker, die die Piraten als jugendliches Anhängsel in einer linken Plattform eingebettet sahen. Stadlmaier verließ unter anderem die Partei mit dem Argument er will keine weitere YALP (Yes another left party) unterstützen.
Die internen Abdrehversuche von Emporkömmlingen die den Linken oder anderen Gruppen in der Partei ein Dorn im Auge waren, haben in der Vergangenheit ebenfalls immer wieder für Diskussionsstoff und Spaltungen wie den Inn-Piraten gesorgt, daher kann dass ein oder andere Erdbeben sicherlich wieder kommen.
Was jetzt wie, in den nächsten Tagen und Wochen passiert, wird man sehen, denn während des Wahlkampfes waren die Kritiker sehr ruhig, ob dies so bleibt mag ich zu bezweifeln.
Wer die Geschichte der Piraten Parteien und ihre Ziele ausführlicher kennenlernen will, sei auf diesen schnell zu lesenden Artikel der „Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung“ aus dem Jahre 2012 verwiesen.
Und wie geht es sonst weiter? Im nächsten Blog wird es um BZÖ, REKOS und EU-Stop gehen….
Edits:
1. Laut Aussage von Martin Ehrenhauser letzten Sonntag im ORF, betrug das Budget von „Eurpa Anders“ knapp 50.000,-, also nicht 100.000,- wie ich ursprünglich schrieb.
2. Hatte ich letztens vergessen hinzuzufügen, passt aber so herrlich dazu.
3. Bin erst Gestern darauf gestoßen, geniale Geschichte, die noch für viel Gesprächsstoff sorgen wird.