Es ist soweit, die Wahl ist geschlagen. Bundeskanzler Christian Kern macht vorerst mit seinem Kabinett weiter, während Außenminister Sebastian Kurz sich bereits nach neuen Partnern umsieht um seine Regierungsmannschaft aufzustellen.
Wir schauen uns an, was das bedeuten könnte…?
Sonntag gegen 20:00 Uhr im Salon Hübner In Wien, ein verwaistes türkises Pult hinter dem die Flaggen Österreichs und der Europäischen Union platziert sind, zeugt davon dass sich die ÖVP nun staatsmännisch gibt.
Doch nun geht es in die Regierungsverhandlungen und neben einem Partner, braucht es nicht nur neue Minister sondern auch einen Bundeskanzler.
Das Wahlziel wurde erreicht, die Volkspartei kommt über die 30 Prozentgrenze raus und beendet den Wahlkampf mit komfortablen 31,5%. Damit sind die schwarzen Anzugsträger die nun türkise Krawatten tragen, ihrer roten Konkurrenz um 10 Mandate im Parlament voraus.
Video: Karl Farkas sagte bereits 1964 um was es bei Koalitionsverhandlungen wirklich geht.
Erstmals seit 1999, ist es möglich dass drei Parteien in zweier Koalitionen eine Regierung bilden können, womit ein Machtpoker um die Regierungsvarianten Schwarz-Blau, Rot-Blau und Schwarz-Rot entstehen könnte. Hier bewahrheitet sich frei nach Karl Farkas der Satz, dass die Koalition die Interessensvertretung zwecks der gerechten Verteilung von Ämtern ist.
GAMECHANGER FPÖ:
Für Kurz, Kern und Strache geht es also um die Frage nach dem Führungsanspruch, die erzielten Erfolge sind übrigens dem Wahlergebnis 2015 in der Steiermark sehr ähnlich. Damals war der Abstand weit geringer, hier trennten lediglich 3% den Ersten vom Dritten.
Nach dieser Nationalratswahl, steht die FPÖ in der komfortablen Position mit zwei Parteien jeweils als “Partner auf Augenhöhe” in Gespräche eintreten zu können.
Die 11 Mandate Abstand zur ÖVP spielen höchstens bei der Vergabe der Ministerien eine Rolle, die Volkspartei könnte dabei auf 1-2 Ministerposten/Staatssekretäre mehr im Kabinett pochen.
Parteiintern wird sich einmal mehr die Frage stellen, wie man es ändern kann, die besten Ergebnisse der Parteigeschichte einzufahren um am Ende trotzdem nicht als Erster durchs Ziel zu laufen.
Hier wird mittel- bis langfristig die Themenwahl wie auch die Nachfolgedebatte auf Bundesebene für Diskussionen sorgen. Letztere Frage stellt sich “noch” nicht, ob H.C. Strache bis 65 Parteichef bleibt, wird man sehen.
Summa Summarum ist aber der Zugewinn für die Freiheitlichen ein gewohnter Wahlsieg der eine gute Ausgangslage für die Verhandlungen gibt.
IST ROT BLAU NUN REALISTISCH?
Für die SPÖ heißt es jetzt “Pragmatismus” zeigen, für Christian Kern heißt es frei nach Hamlet “Sein oder Nicht sein, der Partner ist dabei egal!”.
Ideologe und Kern Freund Robert Misik hat hier bereits die Parole “Rot-Blau ist eine Option” in seinem Videolog ausgegeben.
Video: Vor einigen Monaten sprach Misik noch davon dass die FPÖ kein Partner sein könnte, nun hat er seine Meinung geändert.
Der ÖVP einen roten Bundeskanzler aufs Aug zu drücken wird nicht funktionieren, auf was hinauf überhaupt?
In der Steiermark war vor zwei Jahren der Druck entsprechend groß, dort konnte die Volkspartei der Sozialdemokratie den Verzicht auf den Landeshauptmannssessel als Koalitionsbedingung abverlangen.
Auf Bundesebene wird das wohl kein Thema sein, es sei denn, die Sozialdemokraten drohen mit dem Ende des sozialen Friedens und entsprechenden Störaktionen die über den üblichen politischen Hick-Hack hinausgehen. Das steht aber in keinem Verhältnis zum Schaden den ein solches Verhalten anrichten könnte und ist trotz ÖGB Drohgebärden, mehr ein “theoretisches” Szenario.
SEBASTIAN KURZ HAT VIELE OPTIONEN!
Kurz ist zwar Wahlsieger, muss jedoch aufpassen, dass er am Ende nicht vor vollen Tellern verhungert. Der türkise Jungspund hat viele Optionen von der Koalition über die Minderheitsregierung bis zur Oppositionsbank, die Bandbreite ist groß.
Zuerst wird sich entscheiden ob Bundespräsident Van der Bellen, Sebastian Kurz den Regierungsbildungsauftrag gibt.
Sollte er das nicht tun, respektive einen älteren Parteigranden dem “jüngsten” Kanzlerkandidaten der Geschichte vorziehen, wäre das ein Novum in der gelebten Praxis der Republik und würde Rot-Blau die Tür öffnen.
Bekommt er den Auftrag, dann muss er erneut liefern, die FPÖ erscheint als logischer Partner, die SPÖ als die Trauma-Braut, mit der er sich nicht mehr traut.
Immerhin bringen beide Parteien “stabile” Mehrheiten in eine Koalition, der Abstand zur ÖVP im Parlament ist mit 10/11 Mandaten hingegen respektabel, aber nicht groß.
Dass die Volkspartei sich allenfalls etwas einfallen lassen muss ist sicher.
Zum viel gerühmten “Neuen Stil” könnten Verfassungsänderungen gehören, das geht nur mit einem dritten Partner, in diesem Fall kämen die NEOS in Frage.
Diese könnten der Bundesregierung die Zweidrittelmehrheit für Verfassungsmehrheiten beschaffen.
Damit könnten Probleme in Angriff genommen werden, die bislang mangels verfassungsgebender Mehrheit auf die lange Bank geschoben wurden, respektive eben durch die links-konservative Regierungsmehrheit erst entstanden sind.
Ob man aber den Pinken ein Ministerium dafür gibt, bleibt offen, immerhin will Strolz nicht mit der FPÖ in eine Koalition gehen, der “flotte Dreier” wäre dann nur in Form von Türkis, Rot, Pink möglich.
NEUWAHLPOKER ODER OPPOSITIONSBANK?
Die Option auf eine Minderheitenregierung wird mit 62 Mandaten schwer umsetzbar sein (siehe Wiener Zeitung).
Ein solches Manöver bräuchte Kühnheit, kühle Köpfe und den knallharten Durchsetzungswillen bei einer eventuellen Neuwahl auf 40%+ zu kommen. Der Sympathieträger Sebastian Kurz müsste dann jederzeit mit einem Neuwahlantrag rechnen, den er nicht abwehren könnte.
Umgekehrt wäre Rot-Blau ein toller Reibebaum, aber bevor der Wahlsieger in die Opposition geht und damit hunderte Arbeitsplätze gefährdet, müsste er jedoch seine Taktik der eigenen Partei erklären. Andererseits könnte die Volkspartei alle Verfassungsänderungen im Alleingang blockieren.
Jedoch ist eine ÖVP die nicht in den Ministerien vertreten ist, für Wirtschafts-, Bauernbund, ÖAAB und die Landeshauptleute nur eine dunkle Vision aus Kreisky-Zeiten, parteiintern ist das eher ein “Tabu-Thema”.
Dass es im Hintergrund bereits seit Wochen “Gespräche” zwischen sozialdemokratischen und freiheitlichen Funktionären gab, ist in “Wiener-Kreisen” nichts Neues.
Offiziell wird dies dementiert, doch auszuschließen sind solche Vorabgespräche nicht.
So heißt es auch aus für gewöhnlich gut informierten Kreisen, dass die blauen Landeschefs Vorbereitungen für mögliche Umzüge nach Wien treffen und sich bereits nach Personal in den Landesverwaltungen umsehen sollen.
FAZIT:
Sebastian Kurz muss liefern, Wähler und Partei müssen befriedigt werden, sonst wird die “NEUE ÖVP” in ihrem Gehabe viel schneller die “ALTE” sein, als es dem Spitzenkandidaten lieb ist.
BIS DANN,
EUER SIVIC
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