Die Medienbehörde Komm Austria kündigte im April ein schärferes Vorgehen gegen nicht registrierte YouTuber/Video-Abrufdienste an. Wir zeigen was die Umsetzung des Audiovisuellen Mediendienste Gesetzes (AMD-G) in der Praxis für Facebook- und YouTube-Seiten für Konsequenzen hätte.
MEINUNGSFREIHEIT VERSUS GEWERBERECHT:
Der stellvertretende Vorsitzende der Identitären Bewegung Österreich Martin Sellner betreibt zwei gut besuchte Video-Kanäle auf YouTube (Englisch und Deutsch) und erhält Spenden via Patreon und Paypal mit denen er seine Tätigkeiten finanziert.
Diese Spendentätigkeit kann unter Umständen in den Bereich des das Audiovisuelle Mediendienstegesetz fallen und das würde bedeuten dass Sellner und viele andere YouTuber plötzlich Rundfunkunternehmer werden, weil Sie gewerbliche Abrufdienste betreiben.
Natürlich kann man sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen, leider sind Bewegtbilder im Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes von 1867 nicht erfasst und das ist ein großes Problem.
Update: Laut Auskunft der Medienbehörde vom 15.05.2018 sind die Videoangebote von Martin Sellner und der Identitären Bewegung nicht als fernsehähnliche Mediendienste eingestuft worden.
Wer jetzt Schadenfreude verspürt sollte sich tunlichst zurückhalten, denn das AMD-G betrifft nicht nur einzelne YouTuber (wir berichteten), sondern könnte auch Hilfsorganisationen wie die Caritas, das Rote Kreuz, sowie Umweltschutzvereine wie Rettet die Mur erfassen.
In der Liste der ca. 120 gemeldeten Abrufdienste (Stand April 2017) finden sich übrigens neben Redbull oder der Kleinen Zeitung auch Medienvereine, die steirische Wirtschaftskammer und die Stadt Wien.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Bekanntheit des Gesetzes und somit wissen viele gar nicht dass sie etwas „Illegales“ machen. Der aktuelle Personalmangel bei der Rundfunk- und Telekommunikationsregulierungs-GmbH und der Komm Austria ist übrigens ein weiteres Faktor für die fehlende Umsetzung des AMD-G. Geschätzt wird, dass mehr als 90% der anzuzeigenden Kanäle nicht gemeldet sind.
VIELE KRITERIEN VERKOMPLIZIEREN EIN GESETZ:
Große Probleme stellen auch die vielen Kriterien dar, die einen YouTube-Kanal oder Videodienst zu einem kommerziellen Abrufdienst machen können, denn nur wenn alle Hauptkriterien erfüllt sind und sich der Produzent in Österreich befindet und EU-Bürger ist, fällt das Angebot unter das Gewerberecht. Btw. Russen und US-Amerikaner dürfen in Österreich keine Abrufdienste betreiben.
Video: Dr. Susanne Lackner erklärt dass das Audioviuselle Mediendienstegesetz auch NGOs/Hilfsorganisationen treffen könnte.
In der Praxis fallen nämlich alle Videodienste im Netz zumindestens teilweise in den Kriterienkatalog des AMD-G hinein, dieser umfasst dabei folgende Punkte:
1. Wirtschaftliche Tätigkeit.
2. Redaktionelle Verantwortung.
3. Hauptzweck muss die Bereitstellung von audiovisuellen Inhalten sein.
4. Der Dienst muss über ein elektronisches Kommunikationsnetz (z.B. Internet) angeboten werden.
5. Der Dienst muss an die Allgemeinheit gerichtet sein.
6. Die Inhalte müssen audiovisuell sein, d.h es muss sich um Bewegtbilder handeln, die fernsehähnlich sind.
Bei karitativen Organisationen wird aber erst innerhalb der Komm Austria darüber diskutiert ob die Annahme von Spenden für NGO’s in Verbindung mit einem YouTube-Kanal unter das Kriterium Dienstleistung fällt, bei Privatpersonen oder Firmen ist das übrigens schon der Fall.
Die endgültige Gewissheit ob man als Abrufdienst in das Gewerberecht fällt, erhält man erst nach einer individuellen Prüfungsentscheidung durch die Komm Austria/RTR.
Inside Politics hat dazu selbst Ende Mai einen Antrag auf Feststellung eingebracht, denn nur so ist für uns Rechtssicherheit gegeben.
WENN YOUTUBER ZU MEDIENUNTERNEHMERN WERDEN!
Zurück zu Martin Sellner, dieser sammelt Spenden und ruft in seinen Videos auf, seine Arbeit finanziell zu unterstützen.
Durch die Spendentätigkeit und den Aufruf zu spenden, wäre laut Audiovisuellen Mediendienste Gesetz (AMD-G) das Kriterium der „wirtschaftlichen Tätigkeit„ erfüllt. Das wäre auch dann der Fall wenn ein Kanal-Betreiber YouTube erlaubt Werbung in seinen Videos zu schalten.
Stellt sich noch die Frage, ob die Beiträge als fernsehähnlicher Inhalt gelten? (siehe Update oben)
Art und Ton von Sellners „Kommentaren“ erinnern an Sendungen wie „Der Schwarze Kanal“ des DDR-Chefkommentators Karl Eduard von Schnitzler und das „ZDF Magazin“ von Gerhard Löwenthal, aus der Zeit des Kalten Krieges. Ergänzend dazu findet man Videos von Reisen, Demonstrationen und Interviews im Kanal, somit erinnert seine Arbeit stellenweise auch an eine Art Videotagebuch und solche Inhalte sind laut einem Fachvortrag von Frau Dr. Susanne Lackner in der Regel nicht fernsehähnlich. Übrigens nur weil etwas im Fernsehen läuft, heißt das nicht dass es fernsehähnlich ist, soweit so unklar?
Martin Sellners YouTube-Channel könnte also in Gefahr geraten, als kommerzieller Abrufdienst eingestuft zu werden, was einer Rundfunklizenz nahe kommen und unter das Gewerberecht fallen würde.
Sollte aber die Behörde die Meinung vertreten, dass die Produktion zu wenig professionell ist oder die Inhalte nicht fernsehähnlich sind, dann kann er ungestört bis zur nächsten Gesetzesänderung weiterfunken.
Würde aber die Prüfung positiv ausfallen, klopfen als nächste Wirtschaftskammer, Sozialversicherung und Finanzamt an die Tür. Die Strafe bei Nichtanmeldung eines YouTube Kanals kann bis zu 4.000 Euro ausmachen. Prominentestes Opfer neben FPÖ-TV war letztes Jahr die Staatsoper, diese zahlte 220 Euro Strafe für ihren nicht gemeldeten Streaming-Dienst.
FAZIT:
Der Fall Sellner ist einer von Tausenden und ja, unabhängig von der Meinung die man über einzelne Kanäle haben kann, eines ist klar, dieses Gesetz kann als Repressionsmittel genutzt werden um politische Gegner oder kritische Geister Mundtod zu machen, egal aus welchem politischen Lager man kommt.
Wie war das noch einmal mit der österreichischen Kritik am ungarischen Mediengesetz?
Diese hat sich nun wohl erübrigt (Stichworte: Steine und Glashaus).
Bis bald:
EUER SIVIC
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