Ibiza, Beinschab, Schrom, Nowak und Ziegler – die Liste offenkundiger Verfehlungen im Medienbereich wird immer länger und wirft zunehmend die Frage auf, wie eng Politik, Staatsverwaltung und Medien miteinander verflochten sind. Wie gestaltet sich die Medienkorruption in Österreich, und wo liegen die Schwachstellen der geltenden Regeln? Inside Politics wagt in einer zweiteiligen Serie einen Blick hinter die Kulissen.
MEDIENKORRUPTION IN ÖSTERREICH – EINE BESTANDSAUFNAHME
Im Herbst 2022 wurde dem ehemaligen Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse, Rainer Nowak, nachgesagt, dass er für seine Lebensgefährtin Dr. Valerie Hackl (Geschäftsführerin der Austro Control) beim ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium MMag. Thomas Schmid zwecks ihrer Karriere intervenierte. Dazu kam eine Korrespondenz mit Schmid über die Ambitionen Nowaks, ORF-Generaldirektor werden zu wollen. Gleichzeitig wurden auch Chatnachrichten des ehemaligen ORF-Chefredakteurs Mattias Schrom mit dem ehemaligen Vizekanzler Heinz Christian Strache (ehm. FPÖ) bekannt, aus denen ein Interventionsversuch Straches publik wurde. Beide Chefredakteure traten in Folge der Veröffentlichung zurück.
Das sind nur zwei Beispiele von vielen die über das Naheverhältnis von Politik und Medien Auskunft geben. Medienempfänge von Landeshauptleuten, Sommerfeste von Bundeskanzlern, Bischofsempfänge und andere Veranstaltungen werden oft als Möglichkeit zum Netzwerken und der Kontaktaufnahme zwischen Medienvertretern und Personen aus Politik, Wirtschaft, Marketing sowie anderen Sektoren genutzt.
TRANSPARENCY INTERNATIONAL FORDERT STRIKTERE REGELN FÜR JOURNALISTISCHE UNABHÄNGIGKEIT
So verwundert es auch nicht, dass etwa bei manchen Medienunternehmen Personen im Vertrieb/Marketing nicht nur bei solchen Veranstaltungen präsent sind, sondern in Zweitverwendung als Redakteurinnen oder Redakteure von Pressetermin zu Pressetermin laufen, Interviews machen und Beiträge erstellen. Hier offenbart sich bereits die erste Gesetzeslücke, denn Personen aus der Marketingabteilung eines Mediums dürfen ohne Einschränkungen in der Nachrichtenredaktion eines Mediums arbeiten.
In der Praxis erstellt somit die Person die Verhandlungen über Inserate/Werbeeinschaltungen macht und Aufträge entgegennimmt auch gleich die Nachrichtenbeiträge über die Werbekunden. Zwar braucht es hierbei eine inhaltliche Trennung zwischen Informationsbeiträgen und kommerzieller Kommunikation (Werbung), eine personelle Abgrenzung der Bereiche ist rechtlich jedoch nicht vorgeschrieben. Somit steht die redaktionelle Unabhängigkeit des Mediums bereits infrage.
Video: Interview mit Mag.a Bettina Knötzl (Transparency International) über die gesellschaftliche und rechtliche Bedeutung der Medienkorruption.
Ein Problem welches auch Mag.a Bettina Knötzl, Präsidentin des Beirates von Transparency International Austrian Chapter (TIAC), im Interview mit Inside Politics anmerkt. Sie sprach dabei auch das Thema der Nebenbeschäftigungen an und meinte, dass es auch hier mehr Transparenz brauche. So könnten etwa verpflichtende Transparenzlisten oder Datenbanken für Journalistinnen und Journalisten dafür sorgen, dass Konsumenten auch Zugang dazu bekommen welcher Redakteur welchen sonstigen beruflichen Tätigkeiten nachgeht und welcher Art Standpunkte sich somit in dessen Berichterstattung wiederfinden.
WERBEVERBOTE TREFFEN IMMER MEHR JOURNALISTEN
Für Personen die regelmäßig in Bild und Ton in Nachrichtensendungen oder Sendungen zur politischen Information auftreten (vorstellen/moderieren) gilt wiederum ein striktes Werbeverbot. Sie dürfen nicht in der kommerziellen Kommunikation auftreten. (Ergänzung vom 19.03.2024: Für programmgestaltende und journalistische Mitarbeiter des ORF gilt das Verbot auch für sonstige Sendungen, die von diesen moderiert werden.)
Diese Regelung gilt aber wiederum nur für den Österreichischen Rundfunk (TV, Radio, Streaming) und private Fernsehsender sowie Abrufdienste (z.B. YouTube-Kanäle). Für Journalisten privater Radios oder Zeitungsredakteure gilt dies nicht, es gibt aber zunehmend rechtliche Überschneidungen. Dies hat mit dem Umstand zu tun, dass immer mehr Journalistinnen und Journalisten multimedial wirken. Dadurch werden sie auch zunehmend durch dienstrechtliche und gesetzliche Regelungen erfasst, die für klassische Printjournalisten früher nicht gegolten hätten.
Medienhäuser wie die Mediaprint (Kronen Zeitung und Kurier) oder die Styria Media AG (Die Presse und Kleine Zeitung) betreiben eigene Mediendienste wie etwa Krone TV. Auf diesem Fernsehsender, der auch auf YouTube vertreten ist, treten regelmäßig Zeitungsredakteure als Journalisten mit Fachexpertise oder als Moderatoren auf.
Die Presse und die Kleine Zeitung wiederum bieten eigene Internet-Videoangebote (sogenannte Abrufdienste) an, wo es zu ähnlichen personellen Überschneidungen kommt. Ein anderes Beispiel wäre noch die Wiener Wochenzeitung Der Falter, welche vom Printmedium, über Online-Textbeiträge, E-Mail-Newsletter bis hin zu Podcast und fernsehähnlichen Gesprächsrunden, eine Vielzahl multimedialer Angebote betreibt.
Darüber hinaus findet sich im Artikel 11 des Ehrenkodex des Presserats die Regelung, dass private und geschäftliche Interessen von Medienmitarbeitern keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte haben dürfen.
ORF FÜHRT ETHIKKODEX EIN
Interessant wird es dabei bei der Frage von Moderationen von Veranstaltungen, denn auch hier könnte man von „Werbung“ sprechen. Dies ist aber in der rechtlichen Definition des Begriffes nicht der Fall. Zwar haben viele Medienunternehmen Klauseln in den Dienstverträgen ihrer Mitarbeiter die Nebenbeschäftigungen genehmigungspflichtig machen, doch kommt es auch hier auf die Details an.
Zudem gibt es beispielsweise beim ORF die Möglichkeit seinen „Star“ für bestimmte Anlässe direkt zu buchen. Durch solcher Art Tätigkeiten kam es regelmäßig vor, dass diese etwa Veranstaltungen von Parteien, Interessensvertretungen (Kammern), politischen Institutionen, Verbänden, Vereinen oder Unternehmen moderierten. In der medialen wie auch öffentlichen Wahrnehmung kann durch solche Nebenerwerbstätigkeiten der Eindruck einer Befangenheit und fehlender journalistischer Unabhängigkeit entstehen.
Daher gibt es seit Anfang 2023 eine Weisung des ORF-Generaldirektors Mag. Roland Weißmann, dass Moderationstätigkeiten für Zusammenkünfte von Parteien, politische und parteinahe Institutionen/Organisationen und Kammern abzulehnen sind. Mit dem neuen Ethikkodex soll der bisherige Erlass durch Änderungen im Dienstrecht ersetzt werden. Damit wird, laut ORF, der Nebenerwerb wie auch Social-Media-Auftritt von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern wohl ab Ende März in Form einer Betriebsratsvereinbarung klar geregelt werden.
ORF WILL PAKT MIT DER ÖFFENTLICHKEIT SCHLIEßEN
Weißmann sprach hierbei gegenüber ORF-Online von einem Pakt, den der ORF mit der Öffentlichkeit schließen wird, denn in Zeiten eines „ORF für alle“, für den jeder bezahlt, habe man die Aufgabe, vertrauensvoll zu sein und dem Anschein etwaiger Unvereinbarkeiten vorzubeugen. Neben Social Media und Nebenbeschäftigungen werden nun auch die Themenbereiche politische Aktivitäten, Antikorruption und Interessenkonflikte (Compliance) genauer behandelt. Hinzu kommt, dass die Regeln künftig auch für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten werden.
Als Beispiel ist hier Dr. Vera Russwurm zu nennen, die beispielsweise 2018 und 2023 durch Auftritte bzw. Moderationen bei ÖVP-Veranstaltungen auffiel. Da Russwurm weder beim ORF direkt angestellt ist, noch mehr als 30 Sendungen im Jahr moderiert, war sie von den bisherigen Regeln nicht betroffen.
Diese Lücken will man nun schließen, denn besonders in Wahljahren muss ein Medium wie der ORF höchstmöglich glaubwürdig und unabhängig sein.
BIS BALD,
EUER SIVIC
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…