Auflösung des Journalismus-Kollektivvertrag – Könnte eine neue Journalismus-Förderung die Gehälter beeinflussen? – 465

Kollektivvertrag-Journalismus-Österreich-Kleine Zeitung

Die Kündigung des Kollektivvertrags für Journalistinnen und Journalisten durch den Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ) sorgte vor zwei Wochen für Aufsehen. Gleichzeitig stellt sich die Frage ob die Tageszeitungen nun die geplante Arbeitsplatzförderung nach dem noch im Genehmigungsverfahren befindlichen Qualitäts-Journalismus-Förderung nutzen könnten um ohne einen Kollektivvertrag neue Lohnniveaus zu etablieren.

ZEITUNGSVERBAND VÖZ KÜNDIGT „WIEDER“ KOLLEKTIVVERTRAG

Am Dienstag (26.09.2023) gab der Verband österreichischer Zeitungen die Kündigung des Kollektivvertrags zum Jahresende 2023 bekannt. Die Interessensvertretung der Arbeitgeber stellte der Gewerkschaft GPA aber gleichzeitig das Angebot in den Raum, den Kollektivvertrag verbindlich und vollumfänglich bis 30. Juni 2024 zu verlängern. Damit will der Vorstand des Verlegerverbandes seine Verhandlungsbereitschaft signalisieren um entsprechende Verhandlungen zu einer Neugestaltung des KV zu ermöglichen.

Neu ist diese Vorgangsweise nicht, fast auf den Tag genau, 11 Jahre zuvor, kündigte, am  27.09.2012, der VÖZ das letzte Mal eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft auf. Mitte 2013 einigten sich die Vertragspartner auf einen neuen Kollektivvertrag welcher erstmals auch die Online-Journalisten eingebunden hat. Diese waren bis dahin oft in branchenfremden Kollektivverträgen erfasst worden (bei Privatradios und Privatfernsehsendern existieren bis heute keine Kollektivverträge). Gleichzeitig wurde damals das 15. Monatsgehalt für Neueintritte sowie die Löhne für Neueinsteiger reduziert, dafür kam es zu mehr Gehaltssprüngen. Der Einstiegsgehalt sank damals von 2.541 Euro/Monat auf 2.185 Euro/Monat. Dafür wurden aber die Intervalle zwischen den Gehaltssprüngen reduziert. Details dazu finden sich in diesem Artikel des Standard vom 08. Mai 2013.


Video: Styria-CEO Mag. Markus Mair zeichnete bereits im Jänner 2023 auf, wie die Lage in der Medienbranche aussieht.

So wie heute sahen sich auch damals die Zeitungen im Existenzkampf um ihre wirtschaftliche Zukunft. Die Verlage sehen sich in einem Konkurrenzkampf mit internationalen Mitwerbern wie Google oder deutschen Medienhäusern konfrontiert und erwarten sich zusehends Unterstützung seitens des Staates. Dazu kommen noch Kostensteigerungen bei den Löhnen, dem Papierpreis und den Energiekosten, die der heimischen Zeitungsbranche zu schaffen machen.

MILLIONENREGEN AN SUBVENTIONEN FÜR HEIMISCHE MEDIEN

Dieser greift bereits mit mehreren Medienförderungsfonds ein, Tages- und Wochenzeitungen sowie Zeitschriften, Vereinsmagazine, Bildungseinrichtungen und Vereine (z.B. Presseclubs und Presserat) erhalten derzeit Förderungen in der Höhe von ca. 29 Millionen Euro im Jahr in Form von klassischen Presseförderungen (8,9 Millionen Euro/Jahr) wie der Vertriebsförderung, der Regionalmedienförderung, einer Qualitätsförderung für die Journalistenausbildung sowie der Digitaltransformationsförderung (20 Millionen Euro/Jahr), letztere ist auch für TV- und Radio-Sender offen. Darüber hinaus gibt es noch andere staatliche Fördermittel für Medien wie den Privatrundfunkfonds (20 Millionen Euro/Jahr) für TV und Radio, den Nichtkommerziellen Rundfunkfonds (5 Millionen Euro/Jahr), den Digitalisierungsfonds (0,5 Millionen Euro/Jahr) und den Fernsehfonds (13,5 Millionen Euro/Jahr). Manche Medienhäuser, wie der Standard oder die Kronen Zeitung erhalten für ihre Fernsehprogramme entsprechende Förderungen.

Den Zeitungen kommt aber noch die Regelung zugute, dass die Mehrzahl der Zeitungszusteller sich selbst versichern müssen und keine angestellten Arbeiter sind. Diese Ausnahmebestimmung im Allgemeinen Sozialversicherungs-Gesetz (ASVG) gilt als „indirekte“ Subvention für die Zeitungsbranche. Ihre Höhe lässt sich nicht seriös schätzen, wird jedoch im zweistelligen Millionenbereich vermutet.

NEUE FÖRDERUNG BRINGT 15 MILLIONEN EURO FÜR JOURNALISTISCHE ARBEITSPLÄTZE

Zu diesen Förderungen soll 2024 noch die neue Qualitäts-Journalismus-Förderung mit insgesamt 20 Millionen Euro hinzu kommen, sofern diese nicht von der EU-Kommission abgelehnt wird oder Abänderungen aufgrund des EU-Wettbewerbsrechts verlangt werden. 15 Millionen Euro gehen dabei direkt in die Förderung jounarlistischer Arbeitsplätze. Gewisse Teile der alten Presseförderung wie eben die Qualitäts- und Ausbildungssubvention werden in die neue Förderung überführt. Somit wird künftig der heimische Zeitungsmarkt staatliche Unterstützung in einem Volumen von ca. 47,5 Millionen Euro erhalten. Zum Vergleich, die Salzburger Nachrichten erwirtschafteten im Jahr 2022 einen Umsatz von 47 Millionen Euro. Summiert man diese Fördertöpfe miteinander, werden ab dem nächsten Jahr die heimischen Medien (inkl. ORF-Produktionen über den Fernsehfonds) mit beinahe 90 Millionen Euro unterstützt.

Der Entwurfstext zum noch nicht eingeführten Qualitäts-Journalismus-Förderungs-Gesetz (QJF-G) sieht bei der Bewertung ob ein journalistischer Arbeitsplatz gefördert wird oder nicht, u.a. vor, dass der Arbeitgeber einen konkreten Beleg zu erbringen hat, dass für jede zur Berechnung der Förderung angegebene Person der monatliche Bezug den Tarifgehalt laut aktuellster Tariftabelle des zitierten Kollektivvertrages nicht unterschreitet oder deren Gehalt sonst „marktüblich“ ist.

Inside Politics fragte daher beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes nach inwiefern hier der Kollektivvertrag maßgeblich ist.

KOLLEKTIVVERTRAG DIENT ALS RICHTSCHNUR FÜR QUALITÄTS-JOURNALISMUS-FÖRDERUNG

So wollten wir wissen ob es im Falle dessen, dass es zu keiner Einigung für einen neuen Kollektivvertrag bei den österreichischen Tageszeitungen kommt, der Förderungsgrund nach dem QJF-G wegfalle und ob hauptberuflich tätige Journalisten die nicht nach dem Kollektivvertrag für österreichische Tages- und Wochenzeitungen und deren Nebenausgaben sowie redaktionellen digitalen Angeboten angestellt sind, auch nicht unter diese Definition nach §2.2 im QJG-G fallen und diese Arbeitsplätze dann auch nicht gefördert werden dürften?

„NEIN“, heißt es dazu von Dr. Matthias Traimer, Leiter des Bereichs Medienrechts im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes. Dieser führte seine Antwort wie folgt aus.

Dr. Traimer: Im QJF-G, das sich noch im Genehmigungsverfahren mit der Europäischen Kommission befindet, ist der „Kollektivvertrag“ die Richtschnur, an der die Definition („hauptberuflich tätige Journalistin bzw. hauptberuflich tätiger Journalisten„) anknüpft (vgl § 2 Z 2 QJF-G: „hauptberuflich tätige Journalistin bzw. hauptberuflich tätiger Journalist“ eine Person, welche nach dem „Kollektivvertrag für die bei österreichischen Tages- und Wochenzeitungen und deren Nebenausgaben sowie redaktionellen digitalen Angeboten“ angestellten Redakteurinnen bzw. Redakteure, Redakteursaspirantinnen bzw. Redakteursaspiranten und Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer des technisch-redaktionellen Dienstes oder vergleichbaren Kollektivverträgen beschäftigt ist oder eine Person, deren monatlicher Bezug den Tarifgehalt laut aktuellster Tariftabelle des zitierten Kollektivvertrages nicht unterschreitet oder deren Gehalt sonst marktüblich ist;“). In den Materialien wird überdies festgehalten, „„Freie“ Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter von Medienunternehmen fallen nicht unter die Definition „hauptberuflich tätige Journalistin bzw. hauptberuflich tätiger Journalist„.“ Der „Kollektivvertrag“ fungiert somit nicht als Bedingung, sondern als „Ausgangsgröße“ für eine allfällige Förderung.

Daher stellte sich noch die Frage ob nach der Auflösung des Kollektivvertrages die sogenannte Nachwirkungsklausel, welche für diejenigen Personen gilt die noch nach dem Kollektivvertrag angestellt wurden, für die Gewährung einer Förderung von Bedeutung ist oder nicht?

Dr. Traimer: Nun hat der VÖZ-Vorstand in seinem Kündigungsschreiben an die GPA festgehalten, den Kollektivvertrag für Redakteurinnen und Redakteure und der Gesamtvertrag für Ständig Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Wirkung zum Jahresende 2023 zu kündigen, zugleich aber auch verbindlich angeboten,die Laufzeit aus Arbeitgebersicht vollumfänglich bis 30. Juni 2024 zu verlängern, um entsprechende Verhandlungen zu einer Neugestaltung des KV zu ermöglichen.“ (APA-OTS vom 26.9.2023)

Schon unter dieser Prämisse ändert sich daher bis Ende Juni 2024 nichts. Wir ersuchen Sie andererseits um Verständnis, dass wir uns in unserer Funktion als Rechtsdienst nicht mit Hypothesen, was für den Fall, dass es zu keiner sozialpartnerschaftlichen Lösung kommen sollte, geschehen könnte,  befassen.

KOMMAUSTRIA KÖNNTE MIT FÖRDERENTSCHEIDUNGEN EINFLUSS AUF „MARKTÜBLICHE“ GEHÄLTER NEHMEN

Die von Dr. Traimer eingebrachten Punkte den „Kollektivvertrag als Richtschnur“ für die Gewährung der genannten Förderung zu verwenden bzw. „marktübliche Gehälter“ für diese heranzuziehen, könnten dabei für die Fortführung der Kollektivvertragsverhandlungen bedeutend sein. Die KommAustria erstellt nämlich als weisungsfreie Behörde immer wieder eigene Verordnungen um die jeweiligen Gesetze in der Praxis umzusetzen.

So betrachtet könnte die KommAustria einerseits den Kollektivvertrag als Basis für die Bewilligung einer Förderung heranziehen und andererseits mit ihren Entscheidungen in Fällen in denen es keinen Kollektivvertrag gibt oder dieser nicht mehr Anwendung findet, also Neuanstellungen, sich entweder an dem jeweils letztgültigen KV orientieren oder auf Basis der von den Arbeitgebern gemeldeten Gehälter eigene Berechnungen anstellen, um ein „marktübliches Gehalt“ zu ermitteln. Daraus entsteht dann die Grundlage ob ein Arbeitsplatz gefördert wird oder nicht.

Verlagshäuser wären somit in der Lage, auf Basis der genehmigten Förderanträge, ihren neuen Arbeitnehmern Löhne vorzuschlagen die eben genau diesen Bedingungen genüge tun. Sie könnten die Mitarbeiter aber auch nach branchenfremden Kollektivverträgen anstellen. Ob diese Gehälter dann unter oder über jenen des gekündigten Kollektivvertrages liegen werden, ist eine andere Frage. Der VÖZ könnte somit auch ohne die Gewerkschaft Fakten schaffen.
Ob dies die Mitarbeiter mitmachen würden, steht auf einem anderen Papier. Die Gewerkschaft hat mittlerweile zu Betriebsversammlungen aufgerufen und fordert den Zeitungsverband auf, die Kündigung des Kollektivvertrages zurückzunehmen.

BIS BALD,
EUER SIVIC

INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…

VonSivic

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