Während seit Jahren bereits über ein zweites Fußball-Stadion für die steirische Landeshauptstadt gesprochen wird, läuft auf der andere Seite und im Hintergrund schon lange eine Debatte über ein technisches Museum für Graz. Welche Argumente dafür stehen und warum ein solches Museum eine sinnvolle Idee wäre, hat sich Inside Politics nun näher angesehen.
Der Informatiker Alexander List ging auf den Grazer Linuxtagen in seinem Vortrag über das Bildschirmtext-Gerät Mupid, einen Vorläufer heutiger Heimcomputer, sowie über die Geschichte der Informatik und Telematik auf der Technischen Universität Graz (TU Graz) auf die Idee eines Technischen Museums für die steirische Landeshauptstadt ein.
Video: Alexander List über die Geschichte der Informatik auf der TU Graz.
Die Debatte um ein technisches Museum in Graz läuft bereits seit einigen Jahren. Im Zuge der Ausstellungseröffnung “Syd Mead – Future Cities”, in der Zeichnungen und Gouachen des 2019 verstorbenen amerikanischen Star-Designers Syd Mead präsentiert wurden, sprach sich der damalige Direktor des Graz Museums, Otto Hochreiter, bereits 2021 im Interview mit Inside Politics für ein technisches Museum in der steirischen Landeshauptstadt aus.
Video: Otto Hochreiter, der ehemalige Direktor des Graz Museums, sprach sich bereits Ende 2021 für ein Technisches Museum aus.
Ursprünglich war nämlich der Gedanke das Johann Puch-Museum zu einem Technischen Museum weiterzuentwickeln und dieses um andere Bereiche wie etwa die Informatik/Telematik, Forschungsthemen (Wasserstoff, Batterietechnik usw.) oder die Bautechnik zu erweitern.
Die Gründe für diese Debatte liegen unter anderem in der Bedeutung von Graz als Forschungs- und Industriestandort und der Tatsache, dass sich in und um die steirische Landeshauptstadt mehrere Museen befinden die sich mit technischen Themen beschäftigen. Darüber hinaus geht es aber um die Frage wie man Menschen und hier insbesondere Jugendliche für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) interessieren könnte.
GRAZ HAT VIELE TECHNISCHE THEMENMUSEEN ABER KEIN TECHNIK-MUSEUM
Im bereits erwähnten Puch-Museum, wird die weite Geschichte der Firmen Puch, Steyr-Daimler-Puch und die jüngeren Entwicklungen von Magna-Steyr in Graz-Puntigam aufbereitet. So findet sich im ehemaligen Einser-Werk eine umfangreiche Sammlung von Automobilen, Motorrädern, Fahrrädern, Prototypen, Motoren, technischen Zeichnungen, Fotografien und Modellen, die auf die Entwicklung- und Produktionsgeschichte der Unternehmen eingehen.
Doch ist dies nur ein Teil der “technischen” Museen der steirischen Landeshauptstadt. Es gibt nämlich mit dem Straßenbahnmuseum (Remise IV, Mariatrost) und dem Österreichischen Luftfahrtmuseum am Flughafen Graz-Thalerhof auch Ausstellungsräume die anderen Aspekten der Mobilität die Möglichkeit geben sich zu präsentieren.
Im Stadtzentrum kann man zudem noch das Schaubergwerk des Universalmuseums Joanneum erkunden. Dieses ist erst kürzlich zum Escape-Room mit Lehrinhalten rund um Bergbau, Mineralogie und Geologie umgebaut worden und via Internet buchbar.
Zusätzlich zu den genannten Institutionen gibt es noch das Graz Museum welches für seine Ausstellungen rund um die urbane Entwicklung der steirischen Landeshauptstadt bekannt ist immer wieder technische Themen aufgreift. Dabei ist auch noch das zum Graz Museum gehörende Schlossberg-Museum zu nenne, welches sich auch mit der Technik der Festungsanlage und des Stollensystems auseinandersetzt.
Eine gebündelte Ausstellung aller technischen Museen in Graz und Umgebung, gibt es allerdings nicht.
EIN TECHNISCHES MUSEUM ALS ERWEITERUNG DES GRAZ MUSEUMS
So wurden in einigen Ausstellungen der letzten Jahre immer wieder städtebauliche Projekte angesprochen. Etwa mit der Dauerausstellung “Schlossberg Utopien” oder 2020 bis 2021 mit der Exposition “Ungebautes Graz”, in dem eine Reihe von nicht-realisierten Projekten in Graz und seinem wichtigsten Wahrzeichen.
Dabei setzte man sich aber nicht nur mit den künstlerischen sondern auch mit architektonischen sowie technischen Aspekten dieser Ideen auseinander. Von Ideen wie einem steirischen Pendant der Wuppertaler Schwebebahn über Planungen zum Bau einer zweiten Schlossbergbahn auf der Geidorfer-Seite des Berges bis hin zu mehr oder weniger realistischen Utopien wie etwa dem Bau eines Flughafens, Einkaufszentrums, Schwimmbades oder einer Tiefgarage auf dem oder im Schlossberg, gab es viele Ideen das Stadtzentrum von Graz zu verändern.
Der Fokus des Stadtmuseums stellt bei seinen Ausstellungen zu solchen Themen stets auch die Frage, was dieser Art Projekte für die Bevölkerung bringen oder gebracht hätten. Das Graz Museum ist aber eben eher ein Stadtmuseum welches sich mit urbanen, gesellschaftlichen und traditionellen Bereichen auseinandersetzt und etwa auch die Geschichte des Alpenvereins oder die Städtepartnerschaft zu Triest (Grazer Triest-Tage) mit eigenen Ausstellungen und Thementagen beleuchtet.
Ein dritter Standort, der sich dazu noch bereits bestehende Sammlungen übernimmt und
entlehnen könnte, stand an sich bereits in Form der ehemaligen Tennenmälzerei am Standort der aufgelassenen Brauerei Reininghaus zur Diskussion. Diese wurde im Jahr 2021 bereits gekauft und sollte eigentlich eine Mischung aus Industriemuseum und multifunktionalem Austellungsraum beherbergen. Dort hätte man Platz für Wander- und Sonderausstellungen, Co-Working-Spaces, ein städtisches Service-Center für Amtswege, eine Außenstelle der Stadtbibliothek und ein Gastro-Angebot gehabt. Die Kosten wurden im Mai 2022 auf 10 bis 12 Millionen Euro geschätzt. Dazu war noch ein Ausbau des Graz Museums im Rainerhaus bis 2028 geplant.
Wie aber aus Kreisen des Rathauses aktuell zu hören ist, sei eine öffentliche Finanzierung neuer Museen derzeit utopisch. So hat selbst Kulturstadtrat Dr. Günter Riegler, der eben zwei Museen auf seiner Investitionsliste hatte, beide Projekte im Jänner 2023 zurückgezogen.
TECHNISCHES MUSEUM KÖNNTE JUGEND MEHR FÜR DIE TECHNIK BEGEISTERN
Besonders in der Bundeshauptstadt Wien bieten Museen mehr als nur Ausstellungsräume. Sie sind Erlebniswelten mit eigenen Themen-Bereichen, die insbesondere Kinder etwa für naturkundliche oder -wissenschaftliche Gebiete interessieren sollen. In Zusammenarbeit mit den Schulen werden auch entsprechende Thementage oder -Wochen gemacht und somit das Wissenspektrum der Schülerinnen und Schüler zu erweitern. Von der Sternenwarte über das Weltmuseum (früher Völkerkundliches Museum) bis hin zum Technischen Museum bieten die verschiedenen Häuser die Möglichkeit sich fortzubilden und nicht nur alte Errungenschaften hinter Glasvitrinen zu betrachten.
Solche Konzepte könnten auch der Industriestadt Graz zugute kommen. Die neben zwei Höheren Technischen Lehranstalten (HTL), zwei Fachhochschulen mit technischem Fokus und mit der TU-Graz auch über eine eigene technische Universität verfügt. Mit Magna-Steyr, Andritz, AVL, Infinion, NXP, Austria Micro Systems (AMS-Unterpremstätten) und vielen anderen Unternehmen sowie Instituten wie dem Virtual Vehicle (VIV), dem AlpLap und etwa dem Weltrauminstitut, gibt es aber auch eine Reihe von Interessenten für die ein solcher Ort attraktiv sein könnte.
In Verbindung mit den naturwissenschaftlichen Fakultäten der Karl Franzens Universität wäre hier also auch genug Synergiepotential vorhanden um nicht nur Ausstellungen zu organisieren, sondern auch wissenschaftliche Veranstaltungen wie Seminare, Kongresse oder Workshops zu veranstalten. Denkbar wären etwa eigene Themenwochen oder -Wochenenden in denen Schülergruppen und interessierte Personen an Science-Slams (wissenschaftliche Kurzvorträge), Rechen-, Programmier-, Konstruktions- oder “Bastel-” Wettbewerben teilnehmen könnten, um ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen zu können.
PUCH-MUSEUM WÄRE GEEIGNETER STANDORT
Solcher Art Veranstaltungen gibt es bereits in einigen Museen, auch organisieren Firmen immer wieder Wettbewerbe um Talente auf sich aufmerksam zu machen und für sich zu rekrutieren. Ein technisches Museum könnte aber hier einen geeigneteren Ort darstellen, um solche Themen gezielt zu bewerben, an einem Standort zu konzentrieren und gleichzeitig einen Begegnungsraum zu schaffen, der auch für Unternehmen von Interesse sein könnte.
Als möglicher Standort wäre, wie bereits angesprochen, das Johann Puch-Museum denkbar, welches mitten in einem Industriegebiet liegt und damit auch Anlaufstelle für heimische Unternehmen sein könnte. Doch steht und fällt dieses Projekt mit der Finanzierung durch die öffentliche Hand. Der Vorteil des Puch-Museums, es existiert bereits, hat einen Trägerverein und hätte entsprechendes Ausbaupotential. Offene Fragen ließen sich damit wohl leichter lösen als mit den nun abgesagten Projekten die ohnehin renovierungsbedürftig gewesen wären.
BIS BALD,
EUER SIVIC
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…