Die Auswirkungen des Coronavirus machen auch vor der Medienwelt nicht halt. Die Bundesregierung hilft nun mit einer eigenen Corona-Medienförderung aus, gleichzeitig verzichtet der Staat auf ihm zustehende kostenlose Einschaltungen bei den Privatsendern. Ein Millionengeschenk für private Medienunternehmen?
CORONAVIRUS SETZT MEDIENBRANCHE UNTER DRUCK
Laut dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) sind die Inseratenschaltungen in der Medienbranche im März um durchschnittlich 70% bis 80% zurückgegangen. In absoluten Zahlen spricht man – mit Stand April – von knapp 75 Millionen Euro Verlust für die Zeitungshäuser.
Dadurch geraten auch diese in den wirtschaftlichen Strudel den die Coronavirus-Krise ausgelöst hat und nutzen etwa das staatlich geförderte Corona-Kurzarbeitsmodell für die eigenen Redaktionen.
Neben dieser Hilfe erhalten Zeitungsverlage, Radiostationen und TV-Sender zudem ein Corona-Sonderförderungspaket in der Höhe von 32 Millionen Euro.
Doch auch mittels öffentlich finanzierter Inserate kommt eine Form der indirekten Medienförderung zum Einsatz. Denn die mit 15 Millionen Euro dotierte Informationskampagne „Schau auf dich, schau auf mich. So schützen wir uns.“ (wir berichteten), welche von der Bundesregierung und dem Roten Kreuz gemeinsam initiiert wurde, stellt in diesem Zusammenhang eine weitere und wesentliche Einnahme für die Branche dar.
BUNDESREGIERUNG VERZICHTET AUF KOSTENLOSE EINSCHALTUNGEN AUF PRIVATSENDERN
Im Gegensatz zu anderen Werbekampagnen gibt es bei der Aktion „Schau auf dich, schau auf mich. So schützen wir uns.“ jedoch einige rechtliche Besonderheiten zu beachten.
Während in Krisenzeiten Tages- und Wochenzeitungen entsprechend der „Veröffentlichungspflicht“ auch für behördliche Aufrufe und Mitteilungen regulär bezahlt werden (§46 Z1 Abs 1 Mediengesetz), müssen Radio- und TV-Sender (§18 Privatradiogesetz und § 48 Audiovisuelles Mediendienste-Gesetz) ihre Sendezeit kostenlos zur Verfügung stellen.
Dasselbe gilt auch für den ORF (§ 5 Z 6 Abs 1 ORF-Gesetz), der in seinen Radio-Programmen regelmäßig auf die kostenlose Einschaltung der Spots hinweist.
Doch wie das Bundeskanzleramt (BKA) auf Nachfrage gegenüber Inside Politics mitteilte, verzichtet die Bundesregierung, von sich aus auf das Recht, auf privaten Sendeanstalten die Kampagne kostenlos zu schalten.
In Zahlen heißt das, dass mit Steuergeldern pro knapp 30 sekündigem Werbespot durchschnittlich zwischen 500 und 1.500 Euro dem österreichischen Privatfernsehen bezahlt werden, obwohl es dafür rechtlich gesehen keine erkennbare legistische Grundlage gibt. Denn entsprechend der rechtsstaatlichen Grundprinzipien der Bundesverfassung (Art. 18 Abs. 1 B-VG) darf der Staat nur auf Basis von Gesetzen handeln.
UNEINIGKEIT BEI RECHTSAUSLEGUNG
Und hierbei gehen die Rechtsmeinungen deutlich auseinander, denn ursprünglich galten die „Krisenbestimmungen“ lediglich für die Polizei für Fahndungsaufrufe oder das Bundesheer um Freiwillige zu rekrutieren (RV (635 BlgNR XXI. GP).
So begründet Mag. Philipp König von der Stabsstelle Medien des Bundeskanzleramtes das Vorgehen seines Hauses mit dem enormen Umsatzrückgang von bis zu 70% bei den Privatmedien. Man möchte daher die privaten Hörfunk- und TV-Programme nicht durch gesetzliche Zwänge weiter unter Druck setzen. Der ORF hingegen finanziere sich hauptsächlich durch Gebühren und würde durch den Einnahmenentgang weniger belastet werden.
VÖZ-Präsident Mag. Gerald Grünberger sprach gegenüber Inside Politics mit Blick auf die „Schau auf Dich, schau auf mich. So schützen wir uns.“-Kampagne, vom Fehlen eines „implizierten Dringlichkeitsgrades“, wie er gesetzlich verlangt wäre. Deswegen würde den Medienbetreibern für diese „Werbung“, ein entsprechendes Entgelt zustehen. Eine Antwort des Verbandes österreichischer Privatsender (VOEP) traf bis Redaktionsschluss nicht ein.
Mag. Tatjana Fiedler vom ORF bestätigte, dass sich der Österreichische Rundfunk der Rechtsmeinung des Bundeskanzleramtes anschließt und die thematisierten „Spots“ als Krisen- und Katastrophenaufrufe einstuft.
Andreas Kunigk, Pressesprecher der RTR-GmbH (Medienbehörde KommAustria), betont in seiner Anfragebeantwortung, dass die Bestimmungen bezüglich „Mitteilungen in Krisenzeiten“ denselben Zweck haben und eine Unterscheidung nach der rechtlichen Struktur der Medienhäuser wenig zielführend ist. „Für den ORF werden lediglich dessen Online-Dienste ausdrücklich miteingeschlossen“, so Kunigk.
Weiters wies die Medienbehörde auf den Umstand hin, dass man nur mittels einer Einzelfallprüfung bewerten könne, ob eine derartige Kampagne unter die Begriffe „Aufruf“, „wichtige andere Meldung“ oder „kommerzielle Kommunikation“ fällt. Eine diesbezügliche Beschwerde liegt bislang nicht vor.
Abschließend fragte Inside Politics auch den emeritierten Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht Prof. Dr. Heinz Mayer, welcher die Argumentation des Bundeskanzleramtes infrage stellte und der Vermutung recht gab, dass es sich hier um eine Ungleichbehandlung handeln könnte. Mayer bestätigte, dass die Gesetzespassagen gleich sind und vermerkte, dass der ORF nicht durch Bundesmittel, sondern durch die GIS-Gebühren finanziert wird, womit sich die Bundesregierung nicht auf diese „ausreden“ könne.
MEDIENFÖRDERUNG DURCH DIE HINTERTÜR?
Ob diese Unterstützung rechtlich korrekt ist, bleibt vorerst offen. Die Debatte über die „Schau auf dich, schau auf mich. So schützen wir uns.“-Kampagne wird somit um eine weitere Facette reicher. Gleichzeitig gehen die Meinungen über den „Rechtsverzicht“ bzw. was „Werbung“ ist, sehr weit auseinander.
Es bleibt zu klären, ob der Verzicht auf eine kostenlose Schaltung von „Mitteilungen im öffentlichen Interesse“ einen Schaden für den Steuerzahler darstellt und damit in Form von Inseraten „Fördergelder“ durch die Hintertür und ohne rechtliche Grundlage (Art. 18 Abs. 1 B-VG) bezahlt wurden, mögliche Ermessensspielräume exklusive. Außerdem gilt es zu prüfen, ob eventuell auch der Gleichbehandlungsgrundsatz der Bundesverfassung (Art. 7 BV-G) verletzt wurde.
In allen Fragen gilt die Unschuldsvermutung.
BIS BALD,
EUER SIVIC
Foto Sebastian Kurz: Christian Glösl/Steirerwerk.at
Erklärung: In diesem Artikel kam es in der Endredaktion zu einem Fehler bezüglich der Aussagen der Medienbehörde. Es gibt entgegen des ursprünglichen Textes, sehr wohl eine Unterscheidung zwischen den Begriffen „Aufruf“, „wichtige andere Meldung“ und „kommerzielle Kommunikation“.
PS: Wir bedanken uns bei allen Interview-Partnern für die Beantwortung unserer Fragen.
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