Jan Böhmermann Ausstellung in Graz, Deutschland-Anschluss-Österreich, On The Grid Ep: 203

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Der Satiriker Jan Böhmermann ist für seine weitreichenden Recherchen und kritische Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Medien und Politik bekannt. Im Grazer Künstlerhaus endete dieser Tage die durchaus kontrovers debattierte Ausstellung.

JAN BÖHMERMANN-AUSSTELLUNG IN GRAZ

Vom 4. Mai bis zum 19. Juni stellte der ZDF-NEO Moderator Jan Böhmermann mit der bildundtonfabrik im Künstlerhaus Exponate zum politischen Zeitgeschehen aus. Die Ausstellung „Deuscthland-Asnchluss-Östereich“ sollte mit ausgestellten Beiträgen über die Selbstdarstellung von Künstlern und Politikern, der österreichischen und deutschen Innenpolitik, dem deutschen Selbstbild zum zweiten Weltkrieg und weiteren Installationen, eine kritisch mit der politischen Gegenwart auseinandersetzen und Böhmermanns Gedankenwelt dem geneigten Besucher näher  bringen.


Video: Kommentar zur Ausstellung von Jan Böhmermann in Graz.

Dabei wurden der Messestand des „Reichspark-Projektes“, ein Teil der gleichnamigen Mockumentary (fiktiven Dokumentation) welche im Zuge der Sendung „NEO Magazin Royal“ entstanden ist sowie eine dokumentarische Aufarbeitung zum Schmähgedicht über den türksichen Präsidenten Erdogan ausgestellt.

HUNDEKLAPPE FÜR FASCHISTEN

Besucher mussten vor dem Ausstellungsraum wählen wie sie diesen betreten wollten. Für Österreicher, Ausländer und Faschisten gab es bis zum 26. Mai (Europa-Wahl) gesonderte Zugänge. Wobei für Antidemokraten eine Art Hundeklappe vorgesehen war. Außerdem mussten die Gäste ihr Mobiltelefon und Kameras beim Empfang abgeben, eine Maßnahme die damit begründet wurde, dass der Satiriker Böhmermann einerseits die Menschen ärgern und andererseits seine Ausstellungsstücke davor schützen wollte von dreidimensionalen Objekten zu zweidimensionalen Schnappschüssen im Internet abgewertet zu werden.

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Bild: Bis zur Europawahl gab es getrennte Eingänge für Österreicher, Ausländer und Faschisten.

Wer den Empfang passierte konnte eine Mahnung des „Künstlers“ lesen, ein Vorwort in dem er sich mit der aktuellen österreichischen Innenpolitik beschäftigt. Dabei setzte er sich mit Rene Gabalier, dem Opfermythos, der Spende des Christchurch-Attentäters an Martin Sellner und anderen Punkten auseinander. Abschließend sprach er die Menschen darauf an, ähnlich mutig zu werden wie es seiner Meinung nach Armin Wolf oder die Wiener Stadtzeitung Falter wären.

HC STRACHE UND DER BASEBALLSCHLÄGER DES GESETZES

Im Sinne einer dynamischen Weiterentwicklung des Ausstellungserlebnisses wurde auch kurz nach der Eröffnung und dem Rücktritt von Heinz Christian Strache eine Installation geschlossen, in der eine Gummipuppe im Tarnkleid die mitten in einem Wald der durch eine Video- und Tonkulisse simuliert wurde ausgestellt war.

Das Publikum konnte mit einem an einer Kette festgemachten Baseballschläger, daneben hang ein Verfassungsgesetzbuch an einer Schnur herunter, relativ nah an die Skulptur herantreten. Jedoch war der Abstand so bemessen, dass man dem Attrappen-Vizekanzler nicht treffen sollte. Laut einer Kuratorin gelang dies aber so manchem Gast trotzdem. Nach dem Rücktritt von Strache wurde die Puppe zerstückelt und auf einem Haufen gelegt, der Raum danach abgesperrt.

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Bild: Waldspiele 1989 – Die Installation nimmt auf die „Wehrsportübungen“ von HC Strache Bezug. Quelle: Markus Krottendorfer Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien,

Auch eine Reihe von Wahlkabinen war zu sehen, dort konnten verschiedene Fragen mit „Hallo Halli“ oder „Halli Hallo“ beantwortet werden. Wer einer der beiden Knöpfe drückte landete mit Bild und zufällig generiertem Kommentar als Post auf dem Twitteraccount Asnchluss.

Ein weiteres „Highlight“ war das „Eier-Bett für Österreich“, ein Holzbett auf dem Eierkartons mit echten Eiern aufgestapelt waren. Die Eier sollten aufgrund des schon sehr ausgeprägten Geruchs nach Ende des Ausstellungsexperiments entsorgt werden. Böhmermann wollte damit vermitteln, dass der künstlerische Schaffungsprozess einem Schlaf auf rohen Eiern ähnelt.

BÖHMERMANN UND SEINE LIEBESBEZIEHUNG ZUR POLITIK

Ein Thema auf dass sich Böhmermann besonders als Satiriker konzentriert, ist das Verhältnis Politik und Medien. Dafür hat er auf Basis von Fotografien aus der Bild-Zeitung mehrere Sujets auf Öl gebannt und in einem schwarzen Raum ausgestellt. Auf den drei Gemälden sah man die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier (Deutscher Bundespräsident) und die deutsche Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen jeweils in gemütlicher Atmosphäre mit Verlegern, Medienunternehmern und Journalisten sprechen.

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Bild: Dieses Ölgemälde zeigt Kanzlerin Merkel und die deutsche Verteidigungsministerin Von der Leyen in Illustrer Runde mit Journalisten der Bild-Zeitung. Quelle: Markus Krottendorfer Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien,

Dabei versucht der Moderator des NEO-Magazin Royal die Verbindungen zwischen Parteien- und Medienvertretern darzustellen. Als Beweis hat dass er die Bilder selbst gemahlt hat, fand sich in einer Vitrine ein Pinsel, mehrere Fotos seiner Schaffensperiode, das Mahlerhemd mit Farbtupfern und eine Farbpalette, weiters hat er alle Bilder selbst unterschrieben. Zumindestens letztere Tätigkeit lässt sich aufgrund einer Fotografie zweifelsfrei bestätigen.

Das Verhältnis zu Angela Merkel scheint aber besonders ausgeprägt, in einem Glasschaukasten ist eine originale Bergwander-Kombi der deutschen Kanzlerin mit Fotostrecke und Bestätigungsschreiben des Bundeskanzleramtes zu sehen. Wer erfahren wollte was für Stoffe die Staatschefin trägt konnte Proben auf einem eigenen Tisch „ergreifen“.

8.100 METER TWEETS

Zudem ist auch ein Raum der „Affäre Böhmermann“ gewidmet, in dem er die Vorgänge rund um dem vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan betriebenen Prozess aufarbeitete. Das Gerichtsverfahren wurde als Folge des Vortrags eines Schmähgedichts welches in der Sendung „Neo Magazin Royal“ auf ZDF-NEO aufgeführt wurde aufgenommen und führte zu einer massiven Debatte für die Frage was Satire ist.

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Bild: Mehr als 8.100m Papier auf denen die Ergüsse von gut 2.000 deutschen Politikern zu lesen sind, wurden für die Ewigkeit konserviert. Quelle: Markus Krottendorfer Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien,

Im Keller des Hauses gab es dann noch die Möglichkeit bei einer Telefonstation eine deutsche Nummer zu wählen und auf einer Endlosschleife die von Jan Böhmermann selbst besprochen wurde, seine Kritik abzugeben. Als letzter Punkt war ein Nadeldrucker ausgestellt, der Tweets von Politikern aus Deutschland und Österreich ausdruckte. Diese Installation kam auch schon bei der Vorgängerausstellung „Deuscthland“ zum Einsatz. Das damalige Ergebnis von 8,1 km Papier wurde zu einem Stapel zusammengepresst, mit Epoxidharz konserviert und mit zwei Spanngurten in den Deutschlandfarben „schwarz-rot-gold“ fixiert.

KUNST ODER REINE SELBSTVERMARKTUNG?

Kritiker sehen in der Ausstellung keine Kunst und auch einen Verstoß gegen die Präambel des Grazer Künstlerhauses (Halle für Kunst & Medien -KM– Graz), dieses wurde nach einer größeren Renovierung im Jahr 2013 auch organisatorisch neu aufgestellt. Laut der Eigendefinition liegt seine Aufgabe darin „zeitgenössische Kunst aktueller internationaler Strömungen unter Einbindung lokaler Künstlerinnen und Künstler“ dem Publikum zu präsentieren.

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Bild: Widmung und Aufzählung der Sponsoren und Unterstützer, auch das Bundeskanzleramt stellte einen finanziellen Beitrag zur Verfügung.

In diesem Fall gab es ein begleitendes Rahmenprogramm von 10 Veranstaltungen, bei dem österreichische Künstler, Autoren, Musiker, Forscher und Journalisten an eigenen Thementagen Beiträge präsentierten.
Die Schau wurde zudem vom Bundeskanzleramt, der Kulturabteilung der Stadt Graz und dem Land Steiermark mitfinanziert.

Es bleibt offen ob die Zurschaustellung der Werke von Jan Böhmermann unter dem Titel „Deuscthland-Asnchluss-Östereich“ zeitgenössische Kunst oder mehr einen Kommentar dazu darstellt. Auf persönliche Anfrage von Inside Politics wollte der Leiter des Hauses Herr Sandro Droschl noch kein Interview geben, er sieht sich zum Ende der Ausstellung noch zu sehr emotional bewegt und verwies darauf, dass er erst in einigen Monaten in der Lage wäre dazu Stellung zu nehmen.

Eines ist aber klar, die Veranstaltung sollte mehr zum Nachdenken und Hinterfragen anregen, als dass es sich bei ihr um eine reine Zurschaustellung von Exponaten oder künstlerischen Ergüssen eines Satirikers handelte.

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VonSivic

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