221, #Traiskirchen, ein Lokalaugenschein

VonSivic

26. August 2015

Flüchtlinge in Zelten, Kleidung auf der Straße, nicht begleitete Jugendliche gehen durch Traiskirchen, unzureichende Betreuungsmaßnahmen, politische Schuldzuweisungen in jede Richtung. Wir waren vor Ort und haben uns die Sache näher angesehen.

Traiskirchen ist in aller Munde und steht als Synonym für einen Zustand der politischen Unfähigkeit Dinge in die Hand nehmen zu wollen oder zu können. Dass die Taktiererei insbesondere vor den kommenden Landtagswahlen auch eine Rolle spielt, ist wohl ebenfalls nicht von der Hand zu weisen und wird entsprechend medial gespielt.

Anfang letzter Woche (Montag 17.8.) schloss ich mich einem Konvoi an, der von Wien aus Sachspenden nach Traiskirchen brachte. Dort angekommen fuhren wir zuerst zum Sportzentrum und dann zum Erstaufnahmezentrum.

Eine Caritas-Mitarbeiterin erklärte uns die Situation und wies auf einige Dinge hin, die in letzter Zeit in den Medien kursierten.

 Bild 1: Die Caritas nimmt keine Sachspenden mehr an.

So würden Flüchtlinge manche Kleiderspenden deswegen nicht annehmen, weil sie es nicht gewohnt wären enge Jeans oder Hosenanzüge zu tragen, dies gilt insbesondere für Frauen aus dem arabischen Raum, die es gewohnt sind lange weite Kleider zu tragen.

Bild 2: Eine Caritas-Mitarbeiterin begutachtet die Spenden und erklärt anschließend die Situation vor Ort.

Flüchtlinge würden daher auch nicht selten die Spenden auf der Straße liegen lassen und die Caritas-Helfer sammeln diese dann wieder ein.
Für diese Arbeit wie auch für die Verteiltätigkeit selbst, greift die Caritas übrigens selbst auf Flüchtlinge zurück. Die Asylwerber werden mit roten Caritas-Hemden ausgestattet und helfen auch beim Sortieren der Sachspenden (z.b. nach Kleidergrößen) mit.

Besonders der Unterschied in den Durchschnittsgrößen macht sich laut der Mitarbeiterin bemerkbar, Schuhe in der Größe 35 sind beispielsweise „Mangelware„.

Die Sammelstelle der Caritas ist einen Katzensprung vom Asylzentrum entfernt und platzt bereits aus allen Nähten. Da das Lager voll ist, nimmt die Caritas auch keine Sachspenden mehr an.

So wird von Seiten der Caritas empfohlen die Güter gleich über den Zaun zu reichen oder zum Haupteingang des Asylzentrums zu bringen.

Und genau darin liegt wohl eine der Hauptursachen für den Unmut der heimischen Bevölkerung.

Ordnung sieht anders aus!

 

Bild 3: Diese Zustände stehen stellvertretend für ein Systemversagen, da wäre jetzt auch Selbsthilfe angesagt.

Österreich hat eine Tradition im Spenden und Geben, da haben wir uns einen Ruf erarbeitet und das ist grundsätzlich auch in Ordnung. Daher verwundert es auch nicht weiter, dass viele Privatpersonen Sachspenden einsammeln und diese im PKW, Kleinbusse oder auf den Anhänger packen und nach Traiskirchen fahren.

Anstatt dass es eben eine zentrale Sammelstelle abseits der Caritas gebe, fahren viele Privatpersonen direkt zum Erstaufnahmezentrum und laden ihre Spenden dort aus. Es wird zwar von Seiten der Betreuungsfirma ORS zum Spenden aufgerufen, aber laut Fundraising Verband Austria (FVA) muss die ORS diese Spenden einerseits „versteuern“ und andererseits ist sie nicht verpflichtet diese an die betreuten Personen weiterzugeben (Details siehe Standardartikel, Stichwort „Nicht sauber“).

Nachdem Besuch bei der Caritas ging es zum Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, vor dem Areal kamen uns Asylwerber mit sehr neugierigen Blicken entgegen. Einige Flüchtlinge gingen direkt auf die Leute zu und nahmen diesen die Sachspenden mit einem verschmitzten Lächeln und schlichten „Thank you“ sofort ab, um wieder in der Menge zu verschwinden. Decken, Matten, Zelte, Betten, Spielsachen und Hygieneartikel wurden vor der Anlage verteilt, oder über den Zaun gereicht.

Bild 4: Sachspenden durch Privatpersonen, Gemeinschaften, oder Hilfsorganisationen stehen an der Tagesordnung.

Ob sich hier bewusst Personen hineindrängen um zusammengehörende Teile zu trennen um mit diesen Tauschhandel zu betreiben, kann ich nicht bestätigen.
Darauf bin ich aber in meinem letzten Artikel bereits eingegangen, die Asylwerber zeigten sich generell neugierig und freuten sich sichtlich mit uns ins Gespräch zu kommen und Spenden entnehmen zu dürfen.

Bild 5: Eine Mutter inspiziert gemeinsam mit ihren Kindern die Spielzeuge, die sie erhalten haben.

Und es ist wahr, auch ich sah Kleidungsstücke und andere Sachen am Boden liegen. Generell war auch zu beobachten, dass kein Bediensteter von ORS oder des Innenministeriums am Eingang stand, die Flüchtlinge konnten das Areal ohne weiteres betreten oder verlassen. Diese Politik der „offenen Tür“ kann man natürlich kritisieren, sorgt aber wenigstens dafür dass es nicht zu einem Lagerkoller kommt.

Video 1: Die Flüchtlinge können sich frei in Traiskirchen bewegen, Privatpersonen verteilen Sachspenden vor dem Erstaufnahmezentrum.

Die fehlende Ordnung macht sich aber auch in der Anlage bemerkbar, dies dürfte auch an manchen der untergebrachten Personen selbst liegen, es gibt etliche Bereiche die sehr sauber sind, andere Ecken könnten eine Putzaktion vertragen.

Warum es hier keinen Tagesappell gibt und die Flüchtlinge auch für eigenes Wohlergehen zu Arbeiten im Asylzentrum herangezogen werden, ist mir nach wie vor unbekannt.

Problem, Problem, Problem!

 

Bild 6: Ich im Gespräch mit Flüchtlingen aus Afghanistan.

Im Gespräch mit Flüchtlingen, Aktivisten und freiwilligen Helfern werden immer wieder die selben Punkte thematisiert. Die fehlende Ordnung und die scheinbare Überforderung der führenden Stellen mit der Unterbringung der „Schutzbefohlenen“. Genau diese Überforderung hört man insbesondere bei den Klagen der Flüchtlinge, wenn diese über die Probleme reden mit denen sie hier konfrontiert sind.
Dabei wird auch das „Warten“ (Asyl-Verfahren, Unterbringungsentscheid, Verlegung, etc.) kritisiert, denn es gebe sicher auch genug der in Traiskirchen untergebrachten Personen die selbst anpacken würden, wenn es um die Verbesserung der Zustände geht.
Die Unsicherheit bezüglich der langen Wartezeit auf Klärung ihres Aufenthaltsstatus ist außerdem ein weiterer Punkt der die Leute natürlich verunsichert.

 

Video 2:  Ein junger afghanischer Bürger erklärt in der zweiten Hälfte des Videos warum er nach Österreich gekommen ist und wie die Bedingungen in Traiskirchen sind.

Im direkten Gespräch wird aber deutlich dass man sich nicht Sorgen um sein Leben zu machen. Ein junger Mann aus Afghanistan prangerte z.B. zwar die schlechte Unterbringung und das Essen an, zeigte sich aber zufrieden in Österreich zu sein.
Denn in seiner Antwort kam einerseits heraus dass er hier lernen/studieren will, Österreich sein Zielland ist und er froh ist in der Nacht keine Schüsse zu hören oder ums eigene Leben zu bangen, auch wenn das campieren unter Freien Himmel für ihn keine Lösung ist.

 

Video 3: Dieser Beitrag der „schwedischen Armee“ führt eindrucksvoll vor, 
was die Flüchtlinge erlebt haben könnten.

Letzteres ist verständlich, es hat auch hier eine entsprechende Lösung zu geben, die Frage ist halt wie diese aussehen soll. Weder uns, noch den Flüchtlingen tut die aktuelle Situation gut.
Wir müssen uns definitiv als Gesellschaft der menschlichen Herausforderung stellen diese Thematik in den Griff zu bekommen und die Probleme direkt am Schopfe packen und da geht meiner Meinung nach kein Weg daran vorbei, in den Heimatländern lebenswerte Bedingungen zu schaffen (siehe Video 3).

Bis demnächst, euer Sivic!

VonSivic

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