Der Entwurf zum deutschen Medienstaatsvertrag sorgt für Diskussionsstoff in der “New-Media-Szene”. Mit 30. September endete das öffentliche Beteiligungsverfahren, dieses stant auch österreichischen Bürgern offen, denn das neue Gesetz könnte auch andere Staatsbürger aus anderen Ländern betreffen.
Das Thema Videodiensteregulierung im Internet ist nicht nur in Österreich ein zunehmend diskutiertes Thema, auch in Deutschland wird die Frage, was an audiovisuellen Inhalten reguliert werden muss, heiß diskutiert.
Nun stellten die Bundesländer (Medienrecht ist Ländersache) unter der Führung von Rheinland Pfalz (wir berichteten), einen Entwurf zu einem Medienstaatsvertrag (MSTV) vor. Dieser soll nämlich den derzeit gültigen Rundfunkstaatsvertrag ersetzen (siehe Netzpolitik.org) und erfasst dabei auch Blogs, Foren und Medienplattformen die keine Bewegtbildangebote anbieten.
Der Fokus im MSTV liegt auf der gesetzlichen Normierung von Videoangeboten im Internet, also auch Kanälen/Seiten die auf YouTube, Facebook, Twitter und Instagram eingerichtet und sowohl von Firmen als auch Privatpersonen betrieben werden.
Video: Deutsche Lets-Player wie PietSmiet wurden letztes Jahr von den Landesmedienanstalten dazu aufgefordert Rundfunklizenz zu lösen.
Ziel ist es dabei den Markt im Bereich des Jugendschutzes, der Werberichtlinien und im Kampf gegen Hetze (Hate Speech) besser zu regulieren. Die derzeitige Regelung sorgte bereits letztes Jahr für Aufregung, als die YouTuber Pietsmiet und Gronkh damit konfrontiert wurden, für ihre Twitch-Kanäle die 24 Stunden und sieben Tage die Woche liefen, eine Rundfunklizenz zu lösen. Denn aus der Sicht der deutschen Medienanstalten sind lineare Programme (24/7 Kanäle) die von mehr als 500 Personen empfangen werden können als Rundfunk zu werten.
FERNSEHÄHNLICHKEIT – EU-STAATEN INTERPRETIEREN RICHTLINIEN UNTERSCHIEDLICH
Maßgebend für diese Sichtweise ist dabei auch die Audiovisuelle Mediendienstrichtlinie (Letztstand 2010) der europäischen Union, die aktuell gerade novelliert wird. Diese stellt insbesondere beim Kriterium der Fernseh- oder Rundfunkähnlichkeit fest, dass sogenannte Video-on-Demand-Angebote oder Abrufdienste (in Deutschland als Telemedien bezeichnet) auf das gleiche Publikum abzielen wie etwa klassische Fernsehprogramme.
In der nun diskutierten Novelle werden auch diese Aspekte der Richtlinie umgesetzt. Wobei die Bundesrepublik in der Begriffsdefinition deutlich andere Wege geht und dabei die
Ausstrahlungsart (lineare oder regelmäßige Sendetermine) als eines der Kriterien definiert.
Dazu wird der Begriff des Bagatellrundfunks eingeführt, wonach auch Betreiber, deren Angebot nur geringen jounalistischen Wert besitzt, geringe Reichweiten erzielt (weniger als durchschnittlich 20.000 Aufrufe/Monat) selten gezeigt wird (Häufigkeit), begrenzt dauert und in keinen fixen Sendeplan eingebunden ist, nicht als Fernsehprogramm einzustufen sind.
Gaming, bzw. Lets-Play Angebote bei denen das Spielen von Computerspielen im Fokus steht sind ausgenommen.
YouTube-Kanäle (Telemedien) die Inhalte etwa nur einmal pro Woche veröffentlichen werden dadurch nicht erfasst und sind auch nicht meldepflichtig.
In Österreich sieht das anders aus, hier wurde aufgrund eines Urteils gegen die Tiroler Tageszeitung (2012) die Definition Sendung und Fernsehähnlichkeit auf die inhaltliche Ähnlichkeit von Programmen ausgelegt. Die KommAustria hat auf Basis dieser Judikatur einen Interpretationsspielraum, kann das Kriterium “dynamisch” an die Realitäten im TV anpassen und defakto selbst festlegen was in diese Begrifflichkeit fällt oder nicht. Auch sind Abrufdienste hierzulande in der Regel immer melde-/prüfungspflichtig (Wir berichteten).
Möglich wird diese Differenz in der Begriffsbeschreibung der beiden EU-Mitgliedsstaaten dadurch, dass eine EU-Richtlinie in nationales Recht zu übertragen ist bzw. in dieses eingepasst wird.
So kann es also zu deutlichen Unterschieden in der rechtlichen Auslegung von Definitionen kommen. Das ist etwa dann der Fall wenn es bereits Termini gibt, die die nationale Gesetzgebung eines Mitgliedsstaates von Grund auf anderes definiert aber inhaltlich den Brüssler Vorgaben nahe kommt.
Dies ist auch eines der Argumente warum es derzeit in Brüssel Stimmen gibt, welche die Richtlinie in eine gesamteuropäische Verordnung umwandeln wollen. So könnten wie bei der im Frühjahr diesen Jahres eingeführten Datenschutzgrundverordnung europaweit einheitliche Regeln eingeführt werden, um ein Begriffswirrwarr und Rechtsstreitigkeiten zwischen den EU-Staaten zu vermeiden.
MEDIENSTAATSVERTRAG BETRIFFT AUCH AUSLÄNDISCHE MEDIEN
Der nun diskutierte Vorschlag zum Medienstaatsvertrag erfasst aber auch ausländische Anbieter. So sollen künftig Angebote die in Inhalt, Werbung und Sprache auf deutsche Nutzer ausgerichtet sind und einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Refinanzierung in der BRD generieren, künftig unter deutsches Recht fallen können. Von deutscher Seite wird hier das Marktortprinzip als Argument für die Regulierung ausländischer Medien angeführt, jedoch werden Rundfunkunternehmen explizit nicht erfasst, denn diese werden laut entsprechenden Regeln für grenzüberschreitende Fernsehprogramme in den Heimatländern reguliert.
Hingegen würden diese Regelungen sehr wohl für Medienplattformen, Medienintermediäre, Benutzeroberflächen und Telemedien gelten. Für diese soll es aber generell keine Lizenzierungsverfahren geben.
Es scheint jedoch denkbar, dass zur Vermeidung oder Umgehung von deutschen Rechtsnormen (Impressumspflichten, Werberichtlinien, Ehrenkränkung, Steuerrecht, Konsumentenschutz etc.) Regionssperren eingeführt werden könnten. Das heißt, deutsche Nutzer könnten Webseiten oder Videoangebote nicht mehr ansteuern.
Der Effekt könnte dann zu einer Marktbereinigung in Deutschland führen. Denn deutschsprachige Medienangebote aus der Schweiz oder Österreich könnten künftig auf deutsche Kundschaft verzichten um sich Rechtsstreitigkeiten nach deutschen Recht zu ersparen.
Der Wettbewerb würde dadurch kleiner werden. Kritiker vergleichen diese Vorgehensweise der Bundesländer mit der großen Firewall von China. So wäre es auch wahrscheinlich, dass österreichische Blogger, YouTuber oder auch große Medienhäuser künftig von deutschen Anwaltskanzleien oder Konkurrenten abgemahnt werden, sofern ihre Webangebote dem deutschen Recht nicht genügen.
Auch stellt sich hier die Frage inwiefern dieses Vorgehen mit EU-Recht vereinbar ist und welche Auswirkungen dies auf Angebote in Österreich selbst haben wird oder ob die österreichische Bundesregierung mit ähnlichen Regeln kontert?
FAZIT:
Der Medienstaatsvertrag wird noch länger für Debatten sorgen, die politische Diskussion kann jedenfalls als lebendig angesehen werden und auch Internet-Bürgerrechtsbewegungen wie etwa der Chaos Computer Club werden sich hier auch noch entsprechend einbringen. Denn das Medienrecht ist ein wesentliches Element des Rechtsrahmens im Internet.
Wie die möglichen Auswirkungen in der Realität aussehen werden, lässt sich nur vermuten.
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass andere Regierungen mit Deutschland und der EU-Kommission in Kontakt treten werden. Denn es bleibt die Frage offen, in welcher Form diese Auslegung des Marktortprinzips nicht auch zu einer massiven Einflussnahme Deutschlands auf ausländische Medienmärkte führen könnte.
BIS BALD:
EUER SIVIC
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…
[paypal_donation_button]