Dr. Christoph Leitl zieht sich zurück, der Langzeit-Präsident der Wirtschaftskammer übergibt an Dr. Harald Mahrer, der ehemalige Staatssekretär und Kurzzeit-Wirtschaftsminister übernimmt damit die begehrte Stelle des Kammerpräsidenten.
Nicht jeder Rücktritt kommt unankündigt, im Gegensatz zum Abgang von Matthias Strolz, ist die nun amtliche Pensionierung von Christoph Leitl planmässig über die Bühne gegangen.
Zuerst übergab Langzeit-Präsident Christoph Leitl den Führungsposten im ÖVP-Wirtschaftsbund an den ehemaligen Staatssekretär und Wirtschaftsminister Harald Mahrer und nun ging das Wechselspiel in der Wirtschaftskammer in die nächste Runde.
Bei der Amtsübergabe durfte auch die österreichische Spitzenpolitik nicht fehlen, so verabschiedeten Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz Christian Strache, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Bildungsminister Heinz Faßmann den alten Präsidenten und hießen gleichzeitig seinen Nachfolger herzlich willkommen. Die Wirtschaftsministerin hatte dabei auch eine Anspielung auf Star Wars in ihrer Ansprache in petto und ließ den neuen Vorsitzenden der Wirtschaftskammer wissen, dass die „Kraft“ mit ihm sein möge.
Langfristig sichert sich Harald Mahrer auch seine Stellung innerhalb der Volkspartei ab, um somit Bundeskanzler Sebastian Kurz aus sicherer Distanz Paroli zu bieten, denn der neue Kammerpräsident und sein Parteichef haben sehr unterschiedliche Interessen.
Das lag nicht zuletzt auch in den wirtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen die Mahrer zur Familie Kern pflegte, denn mit der Gattin des Altbundeskanzlers Eveline Steinberger-Kern unterhielt er eine Bürogemeinschaft und auch im Start-Up-Bereich verfolgte Mahrer als Wirtschaftsminister andere Ziele als die aktuelle Regierung.
Aber auch für Christoph Leitl ist das Spiel längst nicht vorbei. Er bleibt für zwei Jahre Obmann der Europäischen Wirtschaftskammer (EUROCHAMBERS) und wird in Brüssel die Interessen der europäischen Dachverbände der Wirtschaftstreibenden vertreten.
HARALD MAHRER: WIR ALLE SIND WIRTSCHAFT UND SITZEN IN EINEM BOOT!
Die Antrittsrede von Dr. Harald Mahrer war jedenfalls im Tonfall progressiv gehalten, so sprach der neue Präsident davon, sich für über 8 Millionen Österreicher einsetzen zu wollen, worauf er auf die Gesamtheit der Wirtschaft mit ihren vielen und allumfassenden Aspekten anspielte.
In der Rede von Mahrer hörte sich das so an:
„Wir alle sind Wirtschaft und sitzen in einem Boot: Unternehmerinnen und Unternehmer genauso wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Familien. Wer die Unternehmen schlägt, trifft daher immer auch deren Mitarbeiter und das ganze Land. In Wahrheit hat die Wirtschaftskammer 8 Millionen Mitglieder“
Auf den ersten Blick entsprach diese Aussage Christoph Leitls Leitmotto, „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Menschen gut!“, doch fanden sich auch weniger harmonisch klingende Töne in der Ansprache des neuen Wirtschaftskammer-Bosses.
Denn nicht alle Aussagen trafen beim politischen Gegenüber und den anderen Sozialpartnern auf Zustimmung. So war das Thema 12 Stunden-Tag und 60 Stunden-Woche eines, bei dem Harald Mahrer darauf hinwies, dass „natürlich“ jede Überstunde bezahlt werde.
Im selben Atemzug warf der Neo-Wirtschaftskammerpräsident jedoch der Opposition „Gräuelpropaganda“ vor und gab er mit dem Satz, „Aber, es gibt halt viele die sind immer gegen etwas und das sind in Wirklichkeit die Gegner unserer Republik!“, eine Kanonade ab, die es nicht nur in die Berichterstattung des ORF schaffte, sondern auch von Kurier und Standard intensiv aufgearbeitet wurde und die Gewerkschaft-Vida-Chef Roman Hebenstreit „realitätsfremd und zynisch“ nannte.
Es bleibt abzuwarten wie dieser Satz seitens Mahrers wirklich gemeint war, jedenfalls könnte dies auch ein Hinweis darauf sein, dass das Wirtschaftswachstum als Staatsziel in die Verfassung geschrieben werden könnte (ein Plan den schon Christian Kern verfolgte) um nicht zuletzt auch die Position der Wirtschaftskammer und Unternehmer im Kräftemessen mit den Arbeitnehmervertretern zu stärken.
Wer also in Zukunft gegen wirtschaftliche Maßnahmen ist, könnte als „Staatsfeind/Terrorist“ gelten, das ist natürlich augenscheinlich nur reine Spekulation. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch eine solche Wortwahl als gezielte Botschaft an das politische Gegenüber zu verstehen und die ist klar, mit Harald Mahrer weht ein „neuer Wind“ durch die Wirtschaftskammer.
Wie rau dieser für die Konkurrenz wird, bleibt abzuwarten.
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