Wer dieser Tage das Suchwort #Landbauer auf Twitter eingibt, findet schnell den Verweis auf ein Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt. Dieses Werk enthält einige Texte, die fragwürdiges, volksverhetzendes und die deutsche Wehrmacht verherrlichendes Liedgut beinhalten. INSIDE POLITICS deckt auf, dass dies aber keineswegs ein Einzelfall ist.
Burschenschaften sind immer wieder in den Medien und gelten als Brutstätte der deutschnationalen und rechtsextremen Gesinnung, dabei wird aber übersehen, dass sich das Gedankengut viel weiter verwurzelt und verbreitet hat, als aktuell diskutiert wird.
Verbreitete ein katholisches Liedbuch die nun umstrittenen Lieder?
Denn die nun diskutierten Lieder „Negeraufstand in Kuba“ und „Es lagen die alten Germanen“ fanden und finden sich auch in Liedbüchern katholisch-geprägter Vereine und Organisationen. In einem Cantusprügel (Gesangsbuch) einer katholischen Studentenverbindung wurde etwa darauf verwiesen, dass das Lied „Es lagen die alten Germanen“ im Musikbuch „Der Bettelstudent“, Teil der dort abgedruckten Stücke war, erstellt wurde das Buch von Mönchen des Franziskanerordens.
Bei den Kommentaren zum Liederbuch auf Amazon beteuerte ein Käufer, das Fehlen von „Negeraufstand in Kuba“ in der neuen Fassung. Diese Indizien deuten darauf hin, das früher bei Wanderungen und Lagerfeuern nicht nur die „Schüsse durch die Nacht heulten“, wie es im Text zu besagten Lied heißt, sondern auch auf die alten Germanen getrunken wurde.
Der gegenständliche Text über die alten Germanen die zu beiden Seiten des Rheins lagen, wie er auf der Germania gesungen wurde, ist in seiner Urform wohl ein Spottlied gewesen.
Immerhin tauchen hierin auch der französische General de Gaulle und der sowjetische Regierungschef Molotow auf und wollen mit den Germanen „saufen“.
Dieses Lied wurde ohne die Passagen zur Waffen SS – in die laut Text die Chinesen eintreten wollten – und die Judenvernichtung, vermutlich auch bei anderen Vereinen sowie katholischen Schüler- und Studentenverbindungen in der Vergangenheit gesungen und war wohl kein „Heilruf“ auf das deutsche Reich.
—- Update ANFANG —
Mittlerweile haben sich auf der Twitter-Seite von Armin Wolf (ZIB 2, ORF) mehrere Personen gemeldet, die die nun kritisierten Lieder bis in die 90er Jahre in Pfadfinder- und Jungschargruppen gelernt haben.
In der aktuellen Fassung (2012) von „Der Bettelmusikant“, ist der Inhalt zu „Es lagen die alten Germanen“ anders als er anscheinend früher war, dieser entspricht in wesentlichen Teilen der Textvorlage die die Katholische Studentenverbindung Markomannia zu Münster auf ihrer Wiki-Seite veröffentlicht hat.
—- Update ENDE —
Wehrmachtslieder im Inoffizium?
Die aktuelle Aufregung über Burschenschaften scheint trotzdem zu kurz gegriffen, sie geht nicht auf die weite Verbreitung solchen Liedgutes in den 50er -80er Jahren bei Jungschargruppen oder den Pfadfindern ein, bespricht nicht den Kontext oder gar den gesamten Inhalt, es werden lediglich die Reizwörter herangezogen und Tabuzonen eingezogen.
Denn während der Text des Germanenliedes viele Varianten vorweist, sind die Gesangstexte der Wehrmacht eindeutig. In dem uns vorliegendem Dokument fanden sich mit dem Panzerlied „Ob’s stürmt oder schneit“ und den Fallschirmjägerliedern „Bei Kreta bei Sturm und bei Regen“ sowie „Rot scheint die Sonne“ gleich mehrere Stücke welche die deutsche Armee verherrlichten. Wann und ob diese Lieder gesungen wurden bleibt fraglich, meistens wurden diese Texte im inoffiziellen Teil einer Veranstaltung (Inoffizium) nach dem dritten oder vierten Bier angestimmt.
Wer aber Kreta oder das deutsche Panzerlied besingt, der muss sich auch der Opfer bewusst sein, die das NS-Regime billigend in Kauf nahm um seine Ziele zu erreichen.
Kurioserweise befanden sich im gleichen Liederbuch auch Kinder- und Jugendlieder, wie „Biene Maia“, „Heidi“ oder „Die oiden Rittersleit“, was den Charakter dieses Schriftstückes als studentisches Lieder-Potpourri unterstreicht, die vorgefundenen Texte der deutschen Wehrmacht jedoch nicht relativiert.
Es stellt sich also die Frage, warum in österreichischen Vereinen Lieder gesungen wurden und manchmal noch werden, die das Dritte Reich und seine Streitkräfte verehren. Genauso wie es auch fragwürdig ist, den „Panzer“ aus dem deutschen Panzerlied „Ob’s stürmt oder schneit“ durch einen „Pandur“ (Schützenpanzer des Bundesheeres) zu ersetzen, um das Lied zu „entnazifizieren“.
Fazit:
In der Vergangenheit wurden Propagandatexte wie der vom „Walzerlied“, bereits während des Nationalsozialismus selbst, Ziel von Persiflagen à la „Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, zuerst geht der Führer, dann geht die Partei“, was im Nachhinein gesehen, den Zorn der Leute über Krieg und System vortrefflich beschreibt. Doch ist auch diese Zeit vorbei, zu Lehrzwecken hingegen eignen sich diese Beispiele, um das nationalsozialistische Regime zu erklären.
Doch Österreich ist nicht alleine, im Herbst 2017 wurde von Italien offiziell die Nationalhymne nach Mameli eingeführt, diese beinhaltet eine anti-österreichischen Passage die sich auf die italienischen Kriege zwischen 1848-1866 bezieht. Ob diese noch in die heutige Zeit passt, wissen nur die Politiker die diesen Beschluss getroffen haben.
Jedoch zeigt diese Auseinandersetzung auch, dass in diesem Stück die letzte Geige noch lange nicht gespielt wurde und auch in anderen Staaten einiges zu tun ist.
Einmal mehr sieht man, das Lieder stets die Kinder ihrer Zeit sind, aus Ihnen und ihren Texten zu lernen sollte nicht verboten sein, diese aber völlig unreflektiert zu singen und für die eigenen Zwecke zu nutzen, ist etwas völlig anderes.
BIS BALD,
EUER SIVIC
INSIDE POLITICS – MEHR ALS TAGESPOLITIK…
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