Hallo zu Ausgabe 295!
Der Wahlkampf um die Bundespräsidentenwahl findet derzeit eher in Hinterzimmern und den Chroniken der sozialen Netzwerke statt.
Dass die Wogen aber zwischen den Parteien und den Fans der Kontrahenten trotzdem hoch gehen, hat mit dem Umstand der Wahlwiederholung zu tun.
Unser Redakteur Philip Peyer hat sich nun Für und Wider zur Wahlwiederholung in den sozialen Netzwerken angesehen und zeigt warum die Entscheidung des VFGH der Wahlanfechtung recht zu geben, mathematisch gesehen richtig war.
Eingehende Zusammenfassung des VfGh-Urteils zur BP-Wahl
Aufgrund vieler Kommentare und Artikel in den Sozialen Medien entschied ich mich das VfGh-Urteil zur Anfechtung der BP-Wahl dieses Jahres herunterzuladen und mir so selbst ein Bild davon zu machen. Gleich zu Beginn will man eigentlich gleich wieder mit dem Vorhaben aufhören, 175 Seiten in meist sehr kompliziert geschriebenem Juristendeutsch lassen einen schnell den Mut verlieren.
Dennoch: Wieso dieser Artikel?
Bei Recherchen in den Sozialen Medien stößt man immer wieder auf komplett widersprüchliche Aussagen aus den beiden politischen Lagern. Von „Es gab keine Manipulationen, das hat sogar der VfGh bewiesen.“ Bzw. „Das Urteil des VfGh ist falsch.“ bis „Die Manipulation ist nicht nachzuweisen sondern allein die Möglichkeit einer solchen im Ausmaß der Differenz der Stimmen reicht für die Aufhebung aus.“ Bzw. „Die Entscheidung des VfGh ist anzuerkennen“, meist geschmückt mit vielen Beschimpfungen findet man so ziemlich alles in den Kommentaren der großen Medienkonzerne wie ORF, Kleine-Zeitung, etc. Außerdem sind auch viele „Experten“ gegenteiliger Meinungen, gerade letzteres verwirrt einen dann doch. Welche Aussagen sind also aus dem Urteil des VfGh rückzuschließen, welche Aussagen sind eindeutig zurückzuweisen?
Aufgrund der Tatsache, dass der VfGh in Österreich die höchste Instanz darstellt, ist die Aussage, eines falschen Urteils dieses wohl entschieden zurückzuweisen.
Diese Anschuldigung geht meist mit der Begründung der statistischen Unwahrscheinlichtkeit der Änderung des Gewinners der BP-Wahl in Bezug auf eine mögliche Manipulation einher, welche allerdings auch laut Urteil unerheblich ist, da allein die Möglichkeit als Grund für eine Wahlaufhebung ausreiche.
Ein kleines Detail welches nicht unerwähnt bleiben soll: Die Differenz der gültigen Stimmen welche sich auf die beiden Kandidaten aufteilen beläuft sich auf rund 30.000, folglich reicht eine Schwankung bzw. Unsicherheit der Hälfte dieser Differenz aus. Im Urteil wird ab einem gewissen Punkt (etwa 70.000 fragliche Stimmen, Details entnehmen Sie bitte dem Urteil) ein Schlussstrich gezogen, da eine weitere Analyse bestimmter Wahrsprengel nur Zeit und keinen Informationszugewinn mit sich ziehe.
Ein weiterer sehr strittiger Punkt stellt der eigentliche Nachweis einer Manipulation dar.
Aufgrund des Urteils ist es unerheblich ob diese nachgewiesen wird oder nicht, wie schon eingangs erwähnt reicht die Möglichkeit der Manipulation in einem gewissen Ausmaß aus um eine Aufhebung der Wahl zu argumentieren.
Gab es nun Manipulationen oder nicht? – Dies ist aus Sicht des Urteils des VfGh nicht zu beantworten, da es nicht Gegenstand der Untersuchung war (Gründe finden sich weiter oben).
Laut der Aussagen einiger Wahlbeobachter und Wahlvorsitzender wurden keine Manipulationen festgestellt, bzw. etwas konkreter formuliert: es wurden keine direkten Manipulationen dokumentiert oder nachgewiesen.
Um einen kurzen Abstecher in die Lehre der Logik zu machen:
Man stelle sich eine Aussage A vor welche behaupte es gäbe keine Manipulation der Wahl, diese Aussage (B) werde durch eine Andere gedeckt welche behaupte es gäbe einige Fälle in denen es zu keiner Manipulation gekommen sei. Umgelegt auf die Mengenlehre bedeute das nun, dass man von einer kleinen Teilmenge N auf die gesamte Menge M schließt, welche aber völlig unabhängig von N ist.
In einem einfachen Beispiel aus der Biologie lernen wir allerdings, dass diese Logik nicht als schlüssig angesehen werden kann: Aufgrund eines Schwanenpaares ginge man davon aus, dass alle Schwäne monogam leben, diese Aussage wäre allerdings erst als wahr zu definieren wenn man die gesamte Schwanenpopulation hinsichtlich dieser Aussage überprüfen würde, nur wenn es bei allen zu einem positiven Ergebnis kommen würde, wäre auch die Aussage über alle Elemente hinaus als wahr zu definieren.
Hinzu kommt bei dem betrachteten Logik-Problem, dass man speziell in Einzelfällen unglaublich schwer nachweisen kann, ob es denn zu einer Manipulation gekommen ist, die Aussage „wir haben keine Manipulationen bemerkt“ reicht hierfür nicht aus.
Mein persönliches Abschlussstatement:
Sache der Staatsanwaltschaft ist es nun jene zu finden, die für dieses Chaos verantwortlich sind.
Das unverantwortliche Verhalten dieser Personen sollte meiner Meinung nach rechtlich aufgerollt und diesen auch mit passenden Maßnahmen in Strafe gestellt werden.
Das zweite Missgeschick welches erst einige Zeit nach der Wahl zum Tragen kam, nämlich die defekten Wahlkarten, sollte im vollen Umfang von der Druckerei welche dies zu verantworten hat getragen werden.
Anregung zur Diskussion:
Ich bin gerne gewillt über die erwähnten Themen und die einzelnen Punkte auf sachlicher (!) Ebene zu diskutieren.
Sachliche Aussagen welche in Bezug auf das Urteil des VfGh stehen, bitte ich mit Seitenzahl anzugeben.
Kontakt: peyer@sivicsblog.com
Den Link zum Originalurteil findet ihr hier.
Philipp Peyer für Inside-Politics,
Graz, 6. Oktober 2016
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