Willkommen zum 280. Beitrag von
Sivic’s_Blog!
Was war das für eine Wahl, zuerst wusste niemand wie es ausging und nun sind wir genauso so schlau wie am Abend des 22. Mai.
Satire ist tot, es lebe die
Realpolitik!
Wien 22. Mai, gegen 16:40_ beim Infostand des Innenministeriums kamen die ersten Zahlen raus, Vorarlberg schien “gelb” eingefärbt auf.
Die Farbe Gelb stand an diesem Tag für Van der Bellen, bei ca. 50% aller ausgezählter Stimmzettel, stand es ca. 53,5% für Hofer und 46,5% für Van der Bellen.
Gegen 18:00 Uhr stand es bei 50:50 und um 20:00 Uhr lagen die Kontrahenten bei 51% zu 49% für Hofer, mit der Gewissheit, dass es erst am nächsten Tag ein Ergebnis geben wird. Dieser Umstand alleine grenzte ja schon an Satire.
Am Tag danach dann die Wende: Alexander Van der Bellen wurde knapp Bundespräsident.
Normalerweise wäre der Beitrag nun vorbei, aber dem ist nicht so – die FPÖ brachte am 8. Juni eine Wahlanfechtung.
Heute, drei Wochen nach der Bundespräsidentenwahl sind wir wieder dort wo wir am 26. April waren – in der Vorwahlzeit zu einem Bundespräsidentenwahlkampf, bei dem nun alles anders und ungewiss ist.
Nein, das ist keine Satire mehr – das ist jetzt Realpolitik und ich bin echt auf die nächste Folge von Maschekgespannt. Oder sind die Kollegen schon in der Sommerpause?
– Das undenkbare wurde denkbar.
Österreich eine Bananenrepublik, demokratischer Lehrling Europas, die Linke schockiert, die National-Linke/ Rechte erfreut.
Im Siegestaumel wird Heinz-Christian Strache wohl nicht sein, aber die Frage die sich jetzt stellt ist: Wie geht es nun weiter?
Faktisch ist der Vertrauensverlust in die Politik nun amtlich geworden. “Wenigstens funktioniert noch der Rechtsstaat!“sagen sich verzweifelt anmutende Politiker quer durch alle Lager in ihren Reaktionen zum Urteil.
Auch die Bevölkerung scheint das Großteils so zu sehen, das Vertrauen ist aber dahin, denn es ist eben nicht mehr klar, ob der Wahlzettel auch dort ankommt wo er hin soll.
Ob das nun Hofer Aufwind gibt bleibt wahrlich offen – die nun aufkommenden Argumente werden aber die demokratiepolitische Debatte in Österreich weiter anheizen.
Eines ist auch sicher: Ich werde nie wieder über Wahlgänge scherzen – ich glaube Eva Glawischnig kann darüber auch nicht mehr lachen.
Sie werden sich wundern, was alles
gehen wird!
Wie im Finale von Game of Thrones ist nun ein Tempel explodiert, die alten Regeln der allmächtigen Parteien scheinen für den Moment außer Kraft gesetzt.
Der Hofer Sager, “Sie werden sich wundern, was alles gehen wird”, besitzt nun allgemeine Gültigkeit.
Für eine “demokratische Republik”die von ihren Richtern an ihre Pflichten erinnert werden muss, ist das Urteil blamabel.
Nun gilt der Satz Hofers auch für die Regierung, die zusehends aufpassen muss, sich nicht selbst ad absurdum zu führen.
Die Zeiten des Schlendrians sind, so scheint es, zumindestens bei Wahlgängen vorbei.
Wir werden sehen ob auch in Zukunft bei den Unterstützungserklärungen mehr geschaut wird – da gab es in der Vergangenheit ja auch so manchen Grund zum Zweifel ob da alles mit rechten/linken Dingen zuging.
Dabei ist diese Entscheidung erst recht ein Fest für die Demokratie, denn so wissen wir dass die Grundsäule des Rechtsstaates, also der Verfassungsgerichtshof auch bereit ist “zum Wohle der Republik” ein nicht opportunistisches und wenig populäres Urteil zu fällen und was noch viel wichtiger ist, sich an die eigenen Gesetze hält.
Kritiker, vor allem aus der rechten Reichhälfte, werden hier nun leiser treten.
Demokratie tut weh, das haben wir alle letzte Woche beim Brexitgemerkt (Warum habe ich nicht gewettet, da hätte ich jetzt was davon!?! grrr).
Für Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen (Grüne) heißt es nun zurück an den Start zu gehen und womöglich wieder von einem Zweierduell zum nächsten zu rennen.
Gibt es da eigentlich ein Gesetz, welches den beiden Herren Höchstgrenzen von Interviews und Ruhezeiten vorschreibt?
Alles wieder auf Start!
Die Parteien sind jetzt gefordert erneut Kampagnen hochzufahren, Medien und Wahlwerber stehen einer vertristen und desillusionierten Bevölkerung gegenüber, die das Vertrauen in die Politik und demokratische Prozesse zusehends in Frage stellt.
Damit ist auch die FPÖ konfrontiert: Nicht wegen ihrer Glaubwürdigkeit (die wurde durch den VFGH bestätigt) sondern wegen der simplen Frage, ob eine Stimme für die Freiheitlichen auch als eine solche gezählt wird.
Die Frage werden sich übrigens auch die Grünen stellen, wäre doch zu witzig wenn Van der Bellen die nächste Wahl anfechten würde.
Das Vertrauen zum Beamtenstaat ist nun ramponiert, die Parteien müssen also ihrerseits die Wähler überzeugen, dennoch zur Urne zu gehen, das wird meiner Meinung nach die wichtigste Herausforderung der sich Hofer, Van der Bellen und Teams stellen müssen.
Damit ist auch die Sommerpause gestrichen, aber die gibt es spätestens seit der Flüchtlingskrise sowieso nicht mehr.
Nun treten auch zwei kuriose Dinge ein:
- Norbert Hofer übernimmt als einer von drei Nationalratspräsidenten in Form eines vorläufigen Interregnums (Übergangs) selbst die Agenden von Heinz Fischer und ist damit 1/3 Bundespräsident.
- Erstmals in der Geschichte Österreichs wird eine Wahl in ihrer Gesamtheit wiederholt, womit auch die Wahlstrategen die gezogenen Lehren aus der letzten, an sich abgeschlossenen, Wahl in einem neuen Anlauf umsetzen können.
Eine fortschreitende mediale Polarisierung halte ich für sehr wahrscheinlich. Inwiefern sich diese in aggressiven Auseinandersetzungen – verbal oder auch handgreiflich – entlädt, werden wir erst sehen.
Die Konfrontation Heimwehr vs. Schutzbund, heißt heute FPÖ gegen Grüne und umgekehrt.
Der politische Diskurs hat sich von der sogenannten ersten politischen Ebene auf das Level der größten Oppositionsparteien verschoben – SPÖ und ÖVP sind da nur noch Zaungäste, auch wenn sie sich ab und an einmischen werden; ihre Kandidaten sind “durchgefallen“.
Für eine Wahlanfechtung ist ihrerseits es aber nun zu spät.
Vorbei sind die Zeiten der medial aufgeputschten Wahlkämpfe, deren möglicher Ausgang mit hektischen und panischen Kommentaren seitens der Medienhäuser künstlich dramatisiert wurde und stets mit einem ernüchternden “Es ist Nichts passiert, bitte wählen Sie weiter”, endete.
Immer wieder wurden mögliche Desaster für Regierungsparteien einem Armageddon am Himmel gleich herauf beschworen und immer in “letzter” Sekunde an der Wahlurne oder bei den Regierungsverhandlungen verhindert.
Nun ist das Donnerwetter da und die Republik in ihren parteipolitischen Grundfesten erschüttert, die Demokratie zeigt auf dass es auch Wahlgänge ohne “Happy End“ für die vermeintlichen Guten gibt.
Für die internationalen Medien ist das nun ein Fest, für die führenden Politiker in Europa zum Teil auch, aber eben nur in der introvertierten EU-Sicht.
Dabei sind ja Wahlwiederholungen in der Europäischen Union nicht gerade eine Seltenheit (siehe Irland).
Wie war das doch gleich mit den transparenten Urnen und “OSZE-Standard“?
Gehen wir über die Grenzen der Union hinweg, brauchen wir uns in nächster Zeit nicht über die mangelnde Qualität von demokratischen Wahlen in Russland, der Ukraine, Aserbaidschan oder sonst wo auf der Welt großartig lustig machen.
Dieser Nimbus ist dank Österreich “vorläufig” Geschichte, Vladimir Putin wird sich ins Fäustchen lachen und die Deutschen glauben einmal mehr recht dazu zu haben Österreich die Demokratiefähigkeit abzusprechen.
Ich warte auf den Tag, an dem die AfD 30% erringt – dann fordere ich einen Zaun zu Deutschland.
Who watches the Watchmen?
Natürlich stellt sich die Frage wer nun die Überwacher überwacht?
Brauchen wir eine VOLKS-STASI die sich um die Politiker und Beamte kümmert? Ich hoffe nicht, aber solche Rufe wird es wohl auch geben.
Ob wir also in Zukunft neben Wahlbeobachtern aus anderen Ländern auch Polizisten und BVT-Beamte in den Wahllokalen finden werden, sei dahingestellt.
Der Laissez faire – Stil, wo Leute ohne Ausweis zur Urne schreiten konnten, wird aber wohl dem “weniger Vertrauen” genauso zum Opfer fallen, wie auch andere Unzulänglichkeiten vergangener Jahre.
Hans Bürger meinte heute Mittag in der ZIB, das nicht nur auf die Bevölkerung, sondern auch auf die Berichterstattung Änderungen zukommen werden.
OSZE Wahlbeobachter wurden bislang aus Wien, dem OSZE Hauptsitz, in die noch zu unterrichtende wenig demokratisierte Welt entsendet, aber bislang kaum im eigenen Land eingesetzt.
Bis zum 10. Februar 2010 gab es dafür noch nicht einmal einen rechtlichen Rahmen.
Dazu eine Anekdote vom 26. April: Als OSZE-Mitglieder die Stiegen zur Wahlzentrale in der Hofburg hinauf kamen und ein Techniker der gerade Kabel einsammelte, diese erblickte rief er: “No Tourists here!”.
Na ja, die OSZE-Beobachter werden im Herbst ihren Spaß haben, die FPÖ auch, die hat ja solche schon seit “Jahren” gefordert.
Dass Franz Grillparzer und Karl Marx einst einmal Österreich als die christliche Türkei oder das europäische China bezeichneten, zeigt doch wieder frei nach Falco nur eines: „Wenig hat sich verändert hat, denn so still steht die Zeit“
Wenn also Österreich nicht als “deutschsprachiger Balkanstaat” in die Analen ( 😀 ) der Geschichte eingehen will, dann muss es sich jetzt ändern.
“Unterm Kaiser hätt’s das nicht gegeben!”
Euer SIVIC